Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Für konsequente Müllvermeidung fehle der politische Wille, sagt Thomas Zigahn
Foto: Leo Thomann

Auf den Ruinen der Konsumgesellschaft

01. Januar 2022

Die nachhaltige Werkstatt „Tanz auf Ruinen“ in Dortmund – Teil 3: Lokale Initiativen

Angefangen hat es mit alten Fahrradreifen. Zu Besuch in Berlin sah Thomas Zigahn, Gründer von Tanz auf Ruinen, einen aus Fahrradreifen hergestellten Gürtel. Das könne er auch selbst. Als schon bald immer mehr Freunde Interesse anmelden, entsteht seine Geschäftsidee – allerdings mehr aus der Einsicht, das nicht dauerhaft kostenlos machen zu können. Daraus entwickelt hat sich die Upcycling-Kunstwerkstatt. Es geht darum, Müll zu verwerten und daraus neue, hochwertige Produkte zu schaffen. Das Angebot rangiert von Notizbüchern aus alten Disketten bis hin zu Ohrringen oder Ohrsteckern, Amuletten und Uhren. Das Material dafür bekommt er entweder geschenkt oder er sammelt es auf dem Weg durch Dortmunds Straßen auf. Grundsätzlich solle auch alles eine Funktion haben und nicht nur Deko sein, betont Zigahn. Eine handwerkliche Ausbildung habe er nicht, meist reiche etwas Ausprobieren oder ein paar erklärende Videos im Netz. Mittlerweile kommt auch die Erfahrung hinzu, die er in den Jahren gewonnen hat und nun bei Workshops für Schulklassen und Vorträgen über Nachhaltigkeit weitergibt.

Diagnose: Nicht systemrelevant

Während der Corona-Pandemie sei durch den Ausfall von Veranstaltungen und Messen mehr als die Hälfte des normalen Umsatzes weggebrochen, was den Anstoß gegeben hat, sich verstärkt der Kunst zu widmen. Kunstvolle Schmetterlinge aus alten Briefmarken und eine Ausstellung über die Tyrannen dieser Welt sind daraus entstanden. Nicht zuletzt auch eine Reihe über die Probleme während der Pandemie und die Auseinandersetzungen mit Deutschlands Bürokratie. „Die Erkenntnis, die während der Pandemie übermittelt wurde, ist leider, dass Kunst und Kultur nicht systemrelevant sind“, lautet das ernüchternde Fazit. Gegen das Absagen von Messen und Veranstaltungen im Sinne des Infektionsschutzes habe er grundsätzlich nichts einzuwenden. Das Problem aber sei die fehlende Planbarkeit: „Es gab keine Alternativen, keinen Plan B.“ Da seine laufenden Betriebskosten extrem niedrig seien, habe ihm die Erstattung nicht groß geholfen. Über Wasser hält sich Zigahn derzeit durch zwei Kunst-Stipendien.

Politischer Wille und Einzelverantwortung

Zigahns Werkstatt besteht fast vollständig aus Sperrmüll und Fundstücken, selbst den Monitor habe er aus dem Müll gerettet. Für sein Handy hat er zwei kaputte Samsung-Geräte zu einem funktionstüchtigen zusammengesetzt. Möbel aus dem Sperrmüll, Klamotten gebraucht oder gratis – wer weniger konsumiert, braucht auch nicht so viel, um auszukommen. Er habe trotzdem nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen: „Das ist sicherlich eine Umstellung, aber kein Verzicht.“ Es gebe bestimmte Dinge, die man von allen erwarten könne – sei es nur ein eigener Kaffeebecher, um unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden. „Wenn man das nicht macht, ist es einfach Faulheit.“

Die Verantwortung liege zwar nicht beim Individuum, trotzdem glaubt Zigahn daran, dass jeder Einzelne eine gewisse Macht habe. Das Angebot richtet sich schließlich nach der Nachfrage – auch McDonald’s verkaufe mittlerweile vegane Burger. Aber einzelnen Menschen sei es kaum möglich, durch ihr Konsumverhalten etwas an Überproduktion, Kurzlebigkeit von Produkten und Ressourcenverschwendung zu ändern. „Was hier fehlt, ist politischer Wille.“ Es wird wohl vorerst noch dauern, bis Zigahn auf seiner Route durch Dortmunds Nebenstraßen nicht mehr fündig wird.


VERBRANNTES GUT - Aktiv im Thema

krake.koeln | Die Initiative veranstaltet regelmäßig Aufräumaktionen am und um den Rhein.
aktion-biotonne-deutschland.de | Die Aktion wirbt für mehr Biotonnen, denn eine riesige Menge kompostierbarer Küchenabfälle landet noch immer im Müll.
jungestadtkoeln.de/projekte/kölncycle | Der Upcycling-Workshop sammelt und verarbeitet in der Stadt gesammelte Schrotträder.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de

Leo Thomann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Zum Müll mit guten Vorsätzen
Intro – Verbranntes Gut

Die deutsche Müllflut
Deutschland ist Spitzenreiter bei der Produktion von Verpackungsmüll – Teil 1: Leitartikel

„Es geht wirklich nur um Verpackungen“
Axel Subklew von der Initiative „Mülltrennung wirkt“ über die dualen Systeme – Teil 1: Interview

Weniger Müll ist auch eine Lösung
Zero Waste bald auch in Köln? – Teil 1: Lokale Initiativen

Willkommen in der Komfortmüllzone
Alternativen zur Wegwerfkultur – Teil 2: Leitartikel

„Menschen können Nützlinge sein“
Isabel Gomez von Cradle to Cradle e.V. über Ökostoffe und Kreislaufwirtschaft – Teil 2: Interview

Aus Alt mach Neu
Hilfe zur Selbsthilfe: Das Reparatur-Café in Wuppertal-Heckinghausen – Teil 2: Lokale Initiativen

Kleider aus Milchfasern
Neue Möglichkeiten der Nachhaltigkeit – Teil 3: Leitartikel

„Müllvermeidung nicht auf Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen“
Elena Schägg von der Deutschen Umwelthilfe über Upcycling, Recycling und Müllvermeidung – Teil 3: Interview

Meilenstein Richtung Zero Waste
In Slowenien steht die modernste Müllverwertungsanlage Europas – Europa-Vorbild: Slowenien

Plastik-Perversion
Die verheerenden Auswirkungen des Plastikproblems – Glosse

Lokale Initiativen

Hier erscheint die Aufforderung!