Ungern blickt Rolf Jahn auf die Zeit zurück, bevor er sein Atelier in der Nippeser Simon-Meister-Straße bezog und bezeichnet die unsteten Jahre in wechselnden Ateliers rückblickend als eine Zeit „stetige Wechsels“. „Man konnte nirgendwo Wurzeln schlagen“, erinnert er sich. „Ständig wurde wieder irgendwo die Miete erhöht und man sah sich zum Umziehen genötigt, bis mir dieser Trott irgendwann zu bunt wurde und ich mir die Atelierräumlichkeiten hier gekauft habe.“ Bereut hat er den vor 20 Jahren gefassten Entschluss nie, und bunt trieb er es fortan lieber selbst an der Staffelei. Nippes wurde und blieb eine Wahlheimat, in der er seine impulsiv-verspielten und naiv-farbenfrohen Arbeiten bis heute fertigt.
Ganz nebenbei ist sein Werdegang exemplarisch für die Mechanismen der Gentrifizierung. Wie so oft folgen die Künstler ihren finanziellen Möglichkeiten, die Lebensqualität den Künstlern und die Preise der Lebensqualität. Zu den Preisen, die er einst für ein eigenes Atelier zahlte, würde er heute, das weiß auch Jahn, gewiss keinen Raum mehr in Nippes erstehen können. Deshalb sieht er sich jedoch noch nicht als Motor einer Bewegung hin zur Verteuerung und Mieterverdrängung zugunsten der Besserverdiener. „Das sind immer mehrere Aspekte, die da zusammenkommen. Natürlich kenne ich das Klischee, dass es die Künstler sind, die eine Gegend durch ihre Anwesenheit interessanter machen. Ich fühl mich auch geschmeichelt, aber ob das wirklich nur die Künstler sind, kann ich mir gar nicht vorstellen.“
Identität eines Veedels bewahren
Auch betont er, dass der Wandel nicht jedes Viertel im Sturm einnimmt: „Natürlich hat sich auch in Nippes so manches geändert und bestimmt ist es auch teurer geworden, aber es ist nicht so, als wäre es jetzt sooo viel anders als noch vor 20 Jahren. Das Haus, dessen Erdgeschoss ich jetzt mit dem Atelier beziehe, hat sich in den Jahren, die ich hier bin, zum Beispiel kaum verändert. Hier sind zu großen Teilen noch die gleichen Parteien drin wie damals. Großteils Arbeiterfamilien, die nicht verdrängt wurden.“
Und doch: Hin und wieder wirft der Wandel dann doch seinen Schatten auf die Nachbarschaft, so dass sich auch Jahn zum Handeln genötigt sieht. So zuletzt geschehen, als sich die Mietpreisschraube in die Höhe wand und die nahegelegene Bäckerei Güsgen zum Umziehen gezwungen wurde. „Ich war ganz gut mit den Betreibern befreundet und hab mir überlegt, was ich tun könnte, um zu verhindern, dass mit dem Bäcker so ein Stück Identität des Veedels abhanden kommt“, erinnert sich Jahn an die Zeit seines Entschlusses, die Bäckerei kurzerhand in sein Atelier einziehen zu lassen.
So teilt er sich den Raum, den er hier früher allein einnahm, seit über einem Jahr mit der Güsgens-Bäckerei. Jahn: „Das war mir ohnehin etwas zu groß und ich kann auch so arbeiten.“ So thronen seine Werke nun über den Teilchen seiner neuen Nachbarn. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es die Anwesenheit eines Künstlers war, die die Mietpreise in der Simon-Meister-Straße erhöht haben. Wenn es darum geht, etwas dafür zu tun, die Nachbarschaft zu erhalten, dann helf ich aus, keine Frage.“
Im Rahmen der offenen Ateliers auf der linken Rheinseite (22.-24.9.) lädt auch Rolf Jahn ein, seine Räumlichkeiten zu besuchen.
Rolf Jahn – Raldystische Kunst | Simon-Meister-Str. 25d, Köln-Nippes | rolfjahn.de
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