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Angeber und Prahlhans

25. Februar 2016

Eine neue Generation von Rappern krempelt das Business um – Kompakt Disk 03/16

Im kommerziell sehr erfolgreichen deutschsprachigen Hip-Hop muss man sich in der Regel zwischen ernstem Traditionalismus, korrektem Consciousness-Rap, bösem Gangster-Rap oder dem lustigen Partysegment entscheiden. Dabei waren die guten Vorbilder aus den USA lange Zeit meist eine Idee spannender, und Dumpfbacken, die auf Deutsch rappen sind immer schwerer zu ertragen als ihre amerikanischen Dumpf-Kollegen, bei denen man nicht jedes Wort versteht. Doch in letzter Zeit gibt es mehr von denen, denen man gerne zuhört. In lustig Deichkind oder Die Orsons, in korrekt bzw. auch gerne mal zynisch KIZ, die Antilopen Gang oder Zugezogen Maskulin, und in böse … naja. Wer aber alles auf einmal will – lustig und klug und auch ein kleines bisschen böse – der wird jetzt vielleicht mit dem recht jungen Angebot zwischen Cloud-Rap und Swag-Rap glücklich.

Der Kölner Rapper LGoony ist Teil einer größeren Szene, die wahlweise mit diesen beiden Etiketten versehen wird und gerade ziemlich Konjunktur hat. Nur traditionalistische B-Boys im gesetzten Alter haben ihre Schwierigkeiten mit dem gleitenden Spiel zwischen Affirmation und Überaffirmation und mit den vielen Regelbrüchen, obwohl das alles eigentlich immer schon eine Stärke von Hip-Hop war. Beim Swag-Rap gilt es das Hip Hop-typische Angebertum hochzuhalten und in übersteigerter Form zu feiern, wobei der Grad der Ironie bei den unterschiedlichen Fallhöhen zwischen Pose und Wirklichkeit nie ganz zu klären ist. LGoony hatte im Sommer mit „Millionen Euro“ einen YouTube-Hit, wo er mit Geld und Goldketten prahlt, die er offensichtlich nicht besitzt, bei seiner Kollaboration mit Swag-Urgestein Money Boy aus Wien besingt er einen Lamborghini. Der musikalische Output in der Szene ist enorm: LGoony hat erst im September sein „Grape Tape“ veröffentlicht, gerade folgte die deutlich von Trap beeinflusste Kollaboration „Aurora“ mit dem Wiener Crack Ignatz, selbsternannter „König der Alpen“. Crack Ignatz hat im Sommer 2015 auf dem Kölner Label Melting Pot mit „Kirsch“ eines der wenigen regulär als CD und LP erhältlichen Alben veröffentlicht, gerade erschien sein Album „Geld Leben“ – wie die meisten Veröffentlichungen der Szene als Gratisdownload. Dazu gibt es immer wieder Videos auf YouTube, die passend zum schnoddrigen Rap und dem übertriebenen Autotune-Einsatz betont billig aussehen, inzwischen aber auch gerne im High-Tech-Style glänzen.

Nicht Köln, sondern Wien ist die Hochburg der Szene: Neben Crack Ignatz und Money Boy agiert dort vor allem Yung Hurn. Bereits im Sommer hat er mit „22“ ein erstes Album veröffentlicht, im Januar dieses Jahres hat er mit „Krocha Tape“ nachgelegt. Yung Hurn steht mehr als LGoony für die psychedelische, anders ausgedrückt: vollgedröhnte Variante der Szene, den Cloud-Rap. Nuschelnd und lallelnd fast bis zur Unverständlichkeit preist auch er Ferraris und Versace, huldigt aber auch extensiv Betäubungsmitteln wie Codein oder Hustensaft und kommt darüber zu einem beeindruckend konsequenten Anarchismus. Die Stücke heißen „Nein“ oder „Blablabla“ und sind kleine Meisterwerke des Minimalismus, zusammen mit dem Rollstuhl fahrenden Young Krillin feiert er auf einem fetten Track ausgiebig das „Berg Money“ – was auch immer das ist. Da hilft eventuell nur noch das Urban Dictionary, wenn überhaupt. Denn nicht nur die Rapper, sondern auch die Fans haben inzwischen eine Kunstsprache erfunden, an die man sich erst mal herantasten muss.

Christian Meyer

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