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„Allein und ausgebrannt“

03. Dezember 2010

Rüdiger Klatt über Beschwerden in der IT-Branche - Thema 12/10 Weihnachten als praktisches Antidepressivum

choices: Herr Klatt, wie steht es um die Gesundheit in der IT-Branche?
Rüdiger Klatt: Den Gesundheitsberichten der Krankenkassen zufolge sind die IT- Beschäftigten sehr gesund, denn sie arbeiten auch weiter wenn es ihnen nicht gut geht. Die für unsere Studie Befragten berichten durchaus von deutlichen gesundheitlichen Problemen, vorne weg von Muskel-/Skelettproblemen und psychischen Beschwerden.

In der IT-Branche arbeiten viele Freelancer ...
Die sind noch deutlich stärker betroffen als abhängig Beschäftigte. So klagten 65 Prozent über vermutlich arbeitsbedingte Muskel-/Skelettbeschwerden in den vergangenen 12 Monaten, 52 Prozent über vermutlich arbeitsbedingte psychische Probleme. Mehr als die Hälfte der Befragten leiden unter Ängsten und negativen Emotionen. Ebenso viele berichten von Erschöpfung und Regenerationsunfähigkeit. – alles typische Burnout-Symptome.

Was sind die wichtigsten Belastungsfaktoren?
Erstaunlicherweise sind dies nicht die langen Arbeitszeiten. Vielmehr liegt es in der Art der Aufgaben sowie im Verhältnis zu Kollegen oder Kunden und – besonders bei den Freelancern – in der mangelnden Trennung von Arbeit und Privatleben. Bei den Belastungsfaktoren stehen schlecht zu bewältigende und sinnlose Aufgaben sowie mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte und/oder Kunden insgesamt an erster Stelle.

Welche Perspektiven sehen die Betroffenen für sich?
Nur 30 Prozent der Freelancer und etwa 40 Prozent der abhängig Beschäftigten gehen davon aus, die Belastungen bis zum Rentenalter von 65 Jahren aushalten zu können. Zehn Prozent der abhängig Beschäftigten und 14 Prozent der Freelancer glauben, dass sie die Belastungen nicht einmal bis zum 50. Lebensjahr aushalten werden. Sie meinen, „eigentlich müsste ich jetzt schon aufhören“ – bei einem Durchschnittsalter von 43 Jahren. Hauptgrund dafür sind wiederum psychische Probleme.

Bremst psychische Erschöpfung die Innovationskraft der IT-Branche?
Auf die Unternehmen könnte in wenigen Jahren eine „Burnout-Welle“ zurollen, die ihnen die Innovatoren entzieht. Die IT-Branche hat einen aktuellen Altersdurchschnitt von ca. 36 Jahren. Die Gruppe der Gefährdeten beginnt ab dem Alter von 40 Jahren. Ohne Prävention ist die Innovationsfähigkeit der Branche gefährdet.

Dr. Rüdiger Klatt
Foto: privat
Dr. Rüdiger Klatt ist Organisationssoziologe und Koordinator von „pragdis – Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen“ am Forschungsbereich Arbeitssoziologie der Technischen Universität Dortmund. Mehr unter www.pragdis.de.

PETER HANEMANN/WOLFGANG HIPPE

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