Das neunte Album der Dirty Projectors heißt „Swing Lo Magellan“ und ist wieder einmal gefüllt mit komplexen Songstrukturen. Die Stücke erinnern in jedem Augenblick an mindestens fünf verschiedene Momente der Musikgeschichte, ohne dass man sie eindeutig auf ein Vorbild zurückführen könnte. Chefkomponist David Longstreth verarbeitet Rock, orchestrale Arrangements, Musical, polyphone Gesangsparts, Folk und vieles mehr. Alleine die 70er Jahre scheinen als abstrakte Referenz eine Leitlinie zu sein. Tolles Album (Domino). Das Duo Peaking Lights dockt an die Liaison von New Wave mit Dub in den frühen 80ern an: Rhythmusmaschine, Synthies, Halleffekte, Frauenstimme. Verträumte Songs für lange Nächte – Dreampop in Dub (Weird World). Ballrogg ist ein norwegisches Trio, dessen Interesse sich sowohl an Jazz von Eric Dolphy als auch Neuer Musik von Morton Feldman orientiert. Mit dem neuen Album haben sie deutliche Schlagseite zur Minimal Music, der Jazzeinfluss ist aber noch hörbar. Das Ergebnis erinnert an die Musik der späten Talk Talk oder an das Duo Gastr del Sol, ohne deren starke rhythmische Akzente (Hubro). Die Zartheit ihrer Landsleute von Ballrog geht den Berserkern von Fire! um Saxofonist Mats Gustafssonab. Die psychedelischen Jazzrocker mit Freejazz-Einschlag haben sich dieses Mal den Gitarristen Oren Ambarchi als Verstärkung geholt. Der Australier hat schon mit John Zorn, Sunn 0))), Jim O'Rourke, Merzbow oder Evan Parker gespielt – da geht in Sachen Krach also einiges. Schließlich heißt das Album auch „In the Mouth – a Hand“. Das ist doch eine recht anschauliche Umschreibung für „Voll in die Fresse“ (Rune Grammofon).
Die beiden Alben „Klopfzeichen“ und „Zwei Osterei“ der Krautrocker Kluster werden wiederveröffentlicht. Tatsächlich ist darauf Proto-Industrial zu hören. Elektroakustik nannten die beteiligten Moebius, Rodelius und Schnitzler das 1970 und ordneten sich damit der akademischen Musik zu, ohne dort akzeptiert zu werden. Die jeweiligen A-Seiten mit Rezitationen literarischer Texte wirken bemüht hochkulturell, die instrumentalen Improvisationen auf den B-Seiten hingegen revolutionär. Conrad Schnitzler verließ die Band, die sich daraufhin Cluster nannte. Schnitzler machte dann solo weiter und veröffentlichte die Alben „Rot“ ('73) und „Blau“ ('74), die nicht minder radikal als Kluster sind, mit ihren verzerrten, fiepsenden Geräuschen und Dissonanzen sogar noch ein wenig abseitiger erscheinen – weniger psychedelisch denn psychotisch. Aktuelle Musik gibt es aus dem Umfeld auch: Dieter Moebius von Cluster hat gerade zusammen mit dem Elektroniker Asmus Tietchens das Album „Moebius + Tietchens“ aufgenommen – angeblich ein Vorhaben, dass sie seit ihrem einmaligen Zusammenspiel mit der Supergroup Liliental 1976 im Kopf haben. So seicht wie das Liliental-Album ist diese CD glücklicherweise nicht – es grummelt, knistert und knarzt reichlich, und auch die ambienteren Passagen sind erfreulich ungehobelt (alle bureau b).
Mario Galeano von Frente Cumbiero und Will 'Quantic' Holland von der Combo Bárbaro haben für das Projekt Ondatrópica und die gleichnamige Doppel-CD alte Meister und junge Hoffnungsträger kolumbianischer Musik zusammengetrommelt, um die Musik Kolumbiens mit Harmonium, Bläsern und polyphonen Rhythmen zu feiern. Meist ist das sehr traditionalistisch gehalten, mitunter mischen sich auch neuere Elemente wie Rap in die Musik oder dezente Fusionen – etwa mit Ska oder Brass – deuten sich an. Ein wahres Fest, das auch vor einer rohen Coverversion von Black Sabbaths „Iron Man“ nicht Halt macht (Soundway).
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