Ganz aktuell ist die Eröffnung des Kulturquartiers am Neumarkt. Dort wo sich früher die Haubrich-Kunsthalle mit dem Kölnischen Kunstverein befand und sehr lange nur ein riesiges Loch zu bestaunen war, ist nun das Rautenstrauch-Joest-Museum hingezogen, gemeinsam mit dem Museum Schnütgen unter einem Dach; dessen sanierter Anbau leitet zur romanischen Kirche St. Cäcilien mit dem Cäciliengarten. Mit St. Peter und seinen Ausstellungen auf der einen Seite und auf der anderen mit dem Forum der Volkshochschule findet hier – hoffentlich – ein Dialog der verschiedenen Kulturen der Welt bis in die Gegenwart und noch mit den Zeugnissen des Mittelalters statt. Mal sehen, ob sich das Warten gelohnt hat.
Nur wenige Schritte davon, quer über den Neumarkt auf die andere Straßenseite, wird ebenfalls gefeiert. Das Käthe Kollwitz Museum begeht in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Zentraler „Gegenstand“ seiner Aktivitäten war von Anfang an das Werk der sozialkritischen Zeichnerin und Bildhauerin (1867-1945). Unter der Trägerschaft der Kreissparkasse Köln wurde die umfassendste Sammlung überhaupt mit ihrer Kunst aufgebaut und ausgestellt. Im Mittelpunkt von Kollwitz’ Werk steht der Mensch. Als Bildhauerin und Zeichnerin der sozialen Wirklichkeit, als Realistin noch mit politischer Aussage ist sie vor allem mit s/w-Zeichnungen und Druckgraphiken sowie Skulpturen bekannt, die in der Genauigkeit der Schilderung von Alter und Leid Betroffenheit auslösen.
Natürlich dreht sich nun auch die Jubiläumsausstellung um Käthe Kollwitz, präsentiert diese aber mit einer Episode, mit der weniger zu rechnen war. 1901 und 1904 hielt sich Kollwitz, ausgestattet mit Referenzen, in Paris auf. Sie sah dort die Ausstellungen der Impressionisten, besuchte die Künstlerkollegen und genoss das gesellschaftliche und gesellige Leben am Montmartre. Ihre eigenen Werke dieser Zeit bleiben aufmerksam am Realismus orientiert und unterliegen doch dem Einfluss der französischen Avantgarde. Der Umgang mit Farbe ist gepaart mit Experimentierfreudigkeit. Dies erschließt sich jetzt in der Ausstellung im Kollwitz Museum anhand der Lithographien, die zusammen mit Werken der Künstler gezeigt werden, denen sie in Paris begegnet ist. Als Leihgaben aus Nah und Fern sind Papierarbeiten, wohl zumeist Druckgraphiken, und Plastiken ausgestellt.
Freilich, „die“ Gemälde der Moderne in Frankreich gibt es andernorts zu sehen. Zunächst: In Köln! Die Schausammlung des Wallraf-Richartz-Museum, verstärkt noch durch die Fondation Corboud, ist sowieso einzigartig, und zwar nicht nur für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert. Dann: Im Museum Folkwang in Essen, das seine Sammlung derzeit um hochkarätige Leihgaben verstärkt hat. Die Ausstellung „Bilder einer Metropole“, die noch bis 30. Januar zu sehen ist, wendet sich Paris als Metropole der Moderne zu: In der Zeit der Impressionisten. Natürlich ergänzen sich die Ausstellungen in Köln und Essen kongenial.
Und dann gibt es eine weitere Sensation, vermeintlich etwas abseits, tatsächlich ganz in der Nähe. Direkt am Rhein, im Arp Museum Bahnhof Rolandseck bei Remagen sind Auszüge aus der Sammlung Rau zu sehen, und zwar zur Kunst in Frankreich, beginnend im 14. Jahrhundert und mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert. Gustav Rau war eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Aus einer Stuttgarter Unternehmerfamilie stammend verkaufte er die elterliche Fabrik und ging als Kinderarzt nach Afrika. Und er baute, zeitweilig von Afrika aus, über Jahrzehnte und zunächst nur für sich eine hochkarätige Kunstsammlung ohne Epocheneingrenzung auf, welche aber immer wieder auf ein Motiv zurückkommt: auf den Menschen. Noch zu Lebzeiten vermachte er die Sammlung an UNICEF. Während ein Teil für deren Hilfsmaßnahmen verkauft werden soll, sollen die Hauptwerke bis 2026 zusammenbleiben und öffentlich gezeigt werden. Als Leihgabe befinden sie sich im Arp Museum, welches sie nach und nach vorstellt. Nun also die Franzosen. Auch da handeln etliche Bilder ganz direkt vom Menschen, zeigen diesen im Gegenüber, etwa auf Bildern von Corot, Degas und Renoir. Daneben findet sich herausragend die Landschaft, mit Beispielen von Cézanne, Monet oder Gustave Caillebotte, darunter zwei Schneeansichten. Eine Landschaft aber befindet sich in den Wolken, mit dem „Wagen des Apoll“ (1905/14) von Odilon Redon – in seinem Symbolismus ist dies so ziemlich das Gegenteil von allem Realismus. Vielleicht sollte die Tour zu den Franzosen hier beginnen?
Paris bezauberte mich ... Käthe Kollwitz und die französische Moderne
bis 16. Januar im Käthe Kollwitz Museum Köln I www.kollwitz.de
Superfranzösisch. Kunstkammer Rau I bis 27. Februar im Arp Museum Bahnhof Rolandseck bei Remagen I www.arpmuseum.org
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