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Was macht ein Mafioso in einer norwegischen Kleinstadt? Steven Van Zandt in „Lilyhammer“
Foto: Rubicon TV/Sevenone International

Überraschende Trends

24. Januar 2013

„Großes Fernsehen“ zeigt das Fernsehprogramm von morgen – Festival 02/13

Stehen Fernsehen und Kino tatsächlich in Konkurrenz zueinander? Und wenn ja, was macht dann ein Fernsehfestival im Kino? Das Kino als Ort scheint einige Vorteile gegenüber dem Fernsehen zu haben: große, strahlende Leinwand, komplette Dunkelheit, um sich in den Bildern zu verlieren, und im Idealfall auch die notwendige Stille. Das strahlt eine Aura aus, die beim Festival „Großes Fernsehen“ die Fernsehmacher nutzen, um ihre neuesten Werke bei freiem Eintritt vor einem großen und vor allem live anwesenden Publikum zu präsentieren und ihm zu beweisen: Auch das Fernsehen kann punkten. Nicht umsonst sind in den letzten Jahren vor allem amerikanische Serien in aller Munde. Was dort an komplexer Dramaturgie in epischer Form entfaltet wird, lässt nicht nur so manchen 3 D-Kinofilm eindimensional aussehen. Es ist kein Wunder, dass im Herbst die Internationale Filmschule in Köln (ifs) als erste deutsche Filmschule einen Masterstudiengang für „Serial Storytelling“ startet. Die amerikanischen Serien seien so etwas wie eine „Vergleichsmasse“, an der man sich messen muss, so Stephanie Bogon, die Koordinatorin des Studiengangs, für den bereits so namhafte Dozenten wieJane Espenson („Game of Thrones“, „Buffy the Vampire Slayer“), aber auch der deutsche Regisseur Dominik Graf („Im Angesicht des Verbrechens“) gebucht sind. „Ein Teil der innovativen Kraft der amerikanischen Serien ist die kollektive Zusammenarbeit“, so Bogon. Die findet in sogenannten Writers’ Rooms statt. Tatsächlich nähern sich die Gattungen gerade einander an: Im Kino hat man momentan den Eindruck, dass Komplexität und Spieldauer ausgereizt werden, im Fernsehen sind zunehmend Miniserien zu sehen, der inszenatorische Aufwand nimmt hingegen zu.

Dass das Prinzip des Writers’ Rooms hierzulande kaum verfolgt wird, liegt nicht nur an der bislang fehlenden Ausbildung, sondern auch an den niedrigeren Budgets. Eine Möglichkeit, in diese Richtung zu arbeiten, liegt vielleicht in Koproduktionen. Die amerikanisch-norwegische Produktion „Lilyhammer“ macht es vor. Steven Van Zandt („The Sopranos“) spielt hier einen Mafioso, der nach einem Verrat als Kronzeuge auftreten will. Das Schutzprogramm sieht einen sicheren Ort für ihn vor, er wählt sich das verschlafene Örtchen Lillehammer, wo 1994 die Olympischen Winterspiele stattfanden. Dort angekommen, ist es ihm aber dann doch ein wenig zu öde und unglamourös. Das ändert er schnell mit einigen illegalen Machenschaften und der Eröffnung eines Nachtclubs. Kollisionen mit den so ganz anders gepolten Bewohnern sind vorprogrammiert.

Ein Beispiel für aufwändige Ausstattung ist die ITV Produktion „Mr Selfridge“. Sie erzählt von Harry Gordon Selfridge, der im London des Jahres 1909 „Selfridges“, das seinerzeit größte Kaufhaus der Welt, in Rekordzeit aufbaut. Schwungvoll inszeniert, gibt die Miniserie in aufwändiger Ausstattung die gesellschaftlich relativ lockere Stimmung – auch für die Frauen der Zeit – wieder. Eine weitere ITV Produktion ist ein historischer Stoff: „Mrs Biggs“ erzählt von dem Schicksal der dreifachen Mutter und Ehefrau des legendären britischen Eisenbahnräubers Ronnie Biggs. Deutsche Produktionen wagen sich ebenfalls an historische Stoffe. Immer wieder gerne wird die Zeit von ’33 bis ’45 bebildert. Auch „Ein weites Herz“ ist dort angesiedelt – weist jedoch darüber hinaus. Die Biografie über Isa Vermehren, die in den 30er und 40er Jahren als Kabarettistin auch beim Film Erfolge feierte, das KZ überlebte und Ordensschwester wurde, bis sie nach ihrer Pensionierung in den 80er Jahren als Sprecherin des „Wort zum Sonntag“ deutschlandweit bekannt wurde, ist in den Hauptrollen mit Nadja Uhl und Iris Berben prominent besetzt. Der Film wird im Frühjahr im ZDF ausgestrahlt und ist bei „Großes Fernsehen“ ebenso wie ein weiterer Nonnenfilm vorab zu sehen – wer weiß, ein neuer Trend? BBC schickt mit „Call the Midwife“ sein erfolgreiches Nonnendrama, das in den 50er Jahren angesiedelt ist und die Arbeit von Hebammen zeigt, ins Rennen. Vielleicht setzt aber auch ein Drama um Macht und Intrigen aus dem Country-Geschäft, wie es uns „Nashville“ unterhaltsam vorführt, neue Akzente.

Neben Serien und Fernsehfilmen werden bei „Großes Fernsehen“ auch Dokumentationen gezeigt. So zum Beispiel Andy Wolffs Dokumentation „Der Kapitän und sein Pirat“ über die Entführung eines deutschen Schiffes durch somalische Piraten. Der Kapitän des Schiffs erzählt von seinem ambivalenten Verhältnis zum Anführer der Piraten. Es geht auch unspektakulärer: „Sofias letzte Ambulanz“ von Ilian Metev ist ein formal strenger Dokumentarfilm über eine der letzten Ambulanzen im maroden Gesundheitssystems der Bulgarischen Hauptstadt. Die Kamera ist fest im Wagen installiert, wir sehen lediglich die tägliche Arbeit der drei Mitarbeiter – Arzt, Schwester und Fahrer. Auch das kann Fernsehen eindringlich zeigen: den Alltag.

Festival „Großes Fernsehen“ I 27.2. bis 3.3. im Cinedom I Karten und Infos: www.grosses-fernsehen.de

Das Programm:

Mittwoch, 27.2.:
19.30 Uhr: Call the Midwife
21.30 Uhr: Nashville

Donnerstag, 28.2.:
20 Uhr: Ein weites Herz
22 Uhr: Arnes Nachlass

Freitag, 1.3.:
19 Uhr: Manipulations (OmeU)
21 Uhr: Braquo (OmeU)
22.15 Uhr: Secret State (OV)

Samstag, 2.3.:
14 Uhr: Nur eine Nacht (mit Yvonne Catterfeld und Filmteam)
16 Uhr: Im Netz (mit Schauspielern u. Filmteam)
18 Uhr: Tatort: Macht und Ohnmacht (mit Schauspielern und Filmteam)
20 Uhr: Tatort: Summ, summ, summ (mit Kaspar Heidelbach u. Sonja Goslicki)
22 Uhr: Hannah Mangold und Lucy Palm: Tod im Wald (mit Florian Baxmeyer, Alicia Remirez, Ivo-Alexander Beck)

Sonntag, 3.3.:
11 Uhr: Vivan Las Antipodas
13 Uhr: Der Kapitän und sein Pirat
14.45 Uhr: Sofia's Last Ambulance
16.15 Uhr: Entdecke! Das Bermuda-Dreieck
17.30 Uhr: Mrs. Biggs (OV)
19.30 Uhr: Mr. Selfridge (OV)
21.30 Uhr: Lilyhammer (OV)

CHRISTIAN MEYER

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