Fußgänger, Radfahrer, Autos, Liefer- und Lastwagen, Bahn unter- oder oberirdisch – am Ring mit seinen großen Kreuzungen ist derzeit kein Verkehrsteilnehmer wirklich glücklich. Seit letztem Oktober macht sich das Aktionsbündnis RingFrei vor dem Hintergrund von Rechtsabbieger-Unfällen und auch in Zukunft wachsendem Verkehr für Neuregelungen und Veränderungen am Ring zugunsten eines sicheren Radverkehrs stark. Der ADFC Köln und der Kölner Regionalverband des Verkehrsclubs (VCD) hatten dazu eine Unterschriftensammlung gestartet und in einer offenen Diskussionsrunde einen 10-Punkte-Plan erarbeitet, in dem gefordert wird, die rechte Autospur in eine „Radspur“ umzuwandeln und zugleich Tempo 30 einzuführen.
Am Dienstagabend lud das Haus der Architektur im Rahmen seiner wöchentlichen Baukultur-Veranstaltungen im Kubus zu einer von Ute Becker moderierten Informationsveranstaltung mit zwei der Initiatoren, Reinhold Goss (RingFrei) und Christoph Schmidt (ADFC). Außerdem hatte Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke (Grüne) kurzfristig zugesagt.
Die Initiative hat im März von der Bezirksvertretung Innenstadt volle Unterstützung erhalten und nicht zuletzt auch von den Einrichtungshäusern, was Andreas Hupke gar nicht so sehr überraschte: „Die IHK und die Händler haben es erkannt. Sie haben es erkannt, weil die Ringe abrutschen.“ Den zunehmenden Online-Käufen von Waren, die, so Hupke, auch den Lkw-Verkehr in der Innenstadt erhöhen würden, könne man zum Überleben eben nur mit einer „Aufwertung“ der Innenstadt bzw. der Ringe begegnen. „Das sehen wir ja jetzt schon – wenn ein tolles Einzelhandelsgeschäft zumacht, kommt da eine Rummsbude rein, und das ist dann das, wo man später mit großen staatlichen Steuergeldern Aufwand machen muss.“
Inzwischen wird davon gesprochen, die im Jahr 1886 – am Samstag vor 130 Jahren – eingeweihten und nach dem Krieg umgestalteten Ringe wieder zu einem Boulevard zu machen, was von den eigentlichen RingFrei-Forderungen aus kein großer Gedankensprung mehr ist. Ist einmal die mit Bußgeldern forcierte Benutzungspflicht für die unregelmäßigen und zum legalen Überholen oft viel zu engen Radwege aufgehoben und die Straße freigegeben, könnten sie überflüssig werden und zusätzlicher Platz für breitere Bürgersteige und mehr Außengastronomie zur Verfügung stehen. Zugleich fielen die reinen Parkplätze weg. Schmidt erläuterte, dass er über Monate die Parkhausauslastung beobachtet habe: „Die Parkhäuser sind leer!“ Auch Tempo 30 brächte für Autofahrer „keine großen Benachteiligungen“, da die Durchschnittsgeschwindigkeit im Innenstadtbereich unter 25 km/h liege. Die Nutzbarkeit der rechten Fahrspur werde darüber hinaus tagsüber durch haltende Lieferwagen eingeschränkt.
Zur Markierung und Absicherung der Radspur und seiner Zugänglichkeit für den Lieferverkehr verwies Schmidt auf Nachfrage auf die noch nötigen professionellen Ausarbeitungen von Experten. Man denke derzeit an Farbmarkierungen, Piktogramme, einen kleinen Bordstein und an Einfahrspuren an den Kreuzungen. Was die neu einzustellenden Ampeln betrifft, verwies Schmidt auf den Möglichkeit, den Radfahrern einen kurzen Vorsprung zu geben, um die Gefahr durch Rechtsabbieger zu verringern. Aus dem Publikum wurde unter anderem angeregt, wie an den Champs-Élysées auch autofreie Sonntage am Ring zu fordern.
Reinhold Goss bezeichnete die RingFrei-Pläne als eine „Interimslösung mit Kompromissen“ und erinnerte in einem historischen Rückblick daran, dass vieles schon diskutiert und durchgespielt, wenn nicht gar – wie der Speer-Masterplan 2009 zum Rückbau der „autogerechten Stadt“ – schon beschlossen worden sei. „Es gab gute Konzepte“, wobei es nur immer wieder bei der Finanzierung oder der faktischen Umsetzung gehapert habe. In der Diskussion im hdak-Kubus kam es dann auch zu Exkursen über Eigenheiten der überlasteten Kölner Stadtverwaltung.
Mit dem Umbau der heute nur noch zweispurigen Bonner Straße kurz vor dem Chlodwigplatz blickte Hupke exemplarisch auf ein vergleichbares Projekt zurück, das seinerzeit am seidenen Faden gehangen habe. „Da wurde, ohne polemisch zu sein, auch der Untergang des Abendlandes beschworen, man sprach von ‚Staus ohne Ende‘, dann wurde gesagt, wir müssten da Computersimulationen machen und und und. Dann haben wir das mit einer ganz knappen Mehrheit im Rat durchbekommen.“ Das Ergebnis habe sich dann klar bewährt. Auch bei den Ringen müsse man standhaft sein. „Ohne Druck von unten wäre das jetzt nicht so weit, wie es ist. Das ist ein Leuchtturmprojekt. Es muss mit großem Druck durchgebracht werden, und davon wird dann der ganze Fahrradverkehr in Köln profitieren.“ Die Verwaltung sei nunmal am Limit – auch wenn nun wie angekündigt fünf Leute neu eingestellt würden, sei das „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Derzeit sieht es so aus, dass es noch in diesem Jahr mit Tempo 30 und der Aufhebung der Radwege-Benutzungspflicht zumindest auf einem guten Teil der Ringe klappen könnte. Dafür sei nun als Folge des offenen Briefes vom Mai ein baldiger Umsetzungsworkshop mit dem SPD-Verkehrsausschuss verabredet worden. Als weitere aktuelle Nachricht nannte Reinhold Goss, dass die IHK sich in ihrem Handelskonzept voll hinter den 10-Punkte-Plan gestellt habe.
Am 18. Juni findet in Köln-Ehrenfeld die diesjährige Radkomm statt, wo es in Workshops und Vorträgen um Radverkehrs-Konzepte und ihre Verwirklichung gehen wird. Das Colabor zeigt morgen zur Einstimmung den Dokumentarfilm „Bikes vs Cars“ von Fredrik Gertten über das Fahrrad und die Automobil-Lobby.
Aktionsbündnis #RingFrei | www.facebook.com/RingfreiJetzt
ADFC Kreisverband Köln | www.adfc-nrw.de
Radkomm – Kölner Forum Radverkehr | Sa 18.6. | Bürgerzentrum Ehrenfeld | www.radkomm.koeln
„Bikes vs Cars“ | Do 9.6. 20.30 Uhr | Colabor | www.colabor-koeln.de
„Jeden Dienstag 19 Uhr – eine Stunde Baukultur“ | Haus der Architektur Köln | www.hda-koeln.de
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