Mittwoch, 4. September: Bei der Kinostart-Premiere von „The Whale and the Raven“ im vollbesetzten Cinenova zeigt die Regisseurin Miriam Leuze nicht nur einen Film über Wale, sondern widmet sich der Frage, wie weit Konzerne und wirtschaftliche Interessen über die Zukunft von Mensch, Tier und Natur entscheiden dürfen. Der Schauplatz ist Hadley Bay, ein Ort, an dem Wale und Menschen in direkter Nähe zusammen leben. Doch dann entdeckt die Öl- und Gasindustrie die idyllische Fjord-Region und plant eine Exportanlage für Flüssiggas und eine Tankerroute, mitten durch den Lebensraum der Wale.
Für ihren Film begleitet Miriam Leuze mehrere Jahre die Walbeobachter Janie Wray und Hermann Meuter bei ihrer täglichen Forschungsarbeit und spricht mit verschiedenen Beteiligten aus der Region, wie den Vertreterinnen der Gitga'at First Nation, über die Situation im Bay. Dabei geht es um die Wale, die Umwelt, um Arbeitsplätze, finanzielle Abhängigkeiten, wirtschaftliche Interessen und die Menschen und Tiere, die davon betroffen sind. Doch Leuze ist keine Freundin einfacher Antworten: Ihr sei es von Anfang an wichtig gewesen verschiedene Seiten zu zeigen, ohne dabei jemanden vorzuführen, erklärt sie später im Publikumsgespräch. Sie fragt, hört zu und lotet aus zwischen den Interessen der Beteiligten. Und immer wieder tauchen die Wale auf, die durch ihr ruhiges, meditatives Wesen eine fast ausgleichende Wirkung haben.
Das Publikum ist merklich berührt. „Es war ein wirklich ergreifender Film“, sagt, Katja R. aus Köln. „Die Naturaufnahmen, die Geräusche, der Blick auf die Walwelt und die Pläne der Konzerne, die Mischung aus beidem, es war toll!“ Auch Lennard S. ist begeistert: „Ich finde jeder sollte diesen Film sehen, da er einem zeigt wie das Leben von Tieren und Menschen von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst wird.“
Miriam Leuze, das Filmteam und die Protagonisten Hermann und Christa Meuter erzählen nach der Vorführung vom Entstehungsprozess des Films und beantworten Fragen. Für Christa Meuter sei es berührend gewesen ihre eigene Heimat, die Natur und die Wale auf der Leinwand zu sehen, sagt sie. Leuze spricht hingegen über ihre Rolle als weiße Frau, über ihre Vereinbarungen mit der Gitga'at First Nation, dem respektvollen Umgang beim Filmen gegenüber der Bevölkerung und den Tieren. Sie berichtet von ihrer eindrücklichen Begegnung mit einem Buckelwal und von der Empörung, die sie spürte, als sie von der geplanten Tankerroute hörte. Beides habe Leuze dazu bewegt, das Filmprojekt zu realisieren.
Der Kohleabbau im Tagebau Hambach unweit von Köln bleibt bei der Premiere nicht unerwähnt – es werden Vergleiche von der Situation im Hadley Bay zu einem „ähnlichen Fall hier in der Region“ gezogen. Aus dem Publikum kommt Applaus. Wahrhaftig zeige Miriam Leuze hier kein Einzelphänomen, sondern eine typische Situation, so Willfried Steffen, Walforscher von Pottwal e.V. „Es ist normal geworden, dass wenn wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen, für die Tiere kein Platz mehr ist. Es muss dort mehr getan werden, damit dafür endlich ein Bewusstsein kommt. Ohne das Engagement der Leute geht das nicht!“, betont er.
Die Kooperationspartner Greenpeace und die Deutsch-Kanadische-Gesellschaft haben im Foyer ihre Stände aufgebaut und kommen mit den Zuschauern ins Gespräch.
Auf der Premierenfeier bei Getränken und Algensnacks aus dem Hadley Bay, erklärt uns Leuze: „Mein Ziel mit dem Film ist es, ein Nachdenken darüber anzuregen, wie wir Menschen mit Tieren und der nicht-menschlichen Welt umgehen.“ Für sie seien die Wale dabei nur Stellvertreter für ganz viele Tierarten, die es zu schützen gilt. Dabei betont sie: „Es ist wichtig Tiere als Individuen zu verstehen, die Gefühle haben, über Intelligenz verfügen und eine eigene Persönlichkeit und Biografie besitzen.“ Filmpate von „The Whale and the Raven“ sei Meeresbiologe Karsten Brensing, Gründer der „Individual Rights Initiative“, die sich für eine dritte juristische Person in unserem Rechtssystem einsetzt. Somit wäre es Juristen nicht nur möglich Menschen und Unternehmen, sondern auch Tiere vor Gericht zu vertreten und in ihrem Interesse Rechte einzuklagen. Das finde sie gut.
Wichtig wäre aber auch, so Miriam Leuze, dass jeder Einzelne seinen Konsum überdenke und zum Beispiel auf Plastik verzichte, das die Meerestiere mit am meisten gefährde. Aber nicht allein: „Jeder Tanker erhöht den Lärmpegel und den Stress für alle Tiere im Meer“, so Leuze – und in den letzten 40 Jahren habe sich der Lärmpegel alle 10 Jahre verdoppelt. Und mit der Planung von Importterminals für Flüssiggas an der Nordseeküste werde das Thema auch in Deutschland aktuell. Eine nordamerikanische Premiere auf dem Vancouver International Film Festival kündigt sie für Oktober an.
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