Freitag, 1. September: Gut Ding will Weile haben – das trifft auf jeden Fall auf das Spielfilmregiedebüt „Sophia, der Tod und ich“ von Charly Hübner zu. Denn der Samen für die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thees Uhlmann war bereits im Herbst 2015 gelegt worden. Noch am Erscheinungswochenende des Buches hatte sich Charly Hübner dieses gekauft, und noch bevor er mit dem Lesen begonnen hatte, nahm Produzentin Sonja Schmitt von DCM mit ihm Kontakt auf. Sie bot Hübner an, den Roman für die große Leinwand zu verfilmen. Zwei Gründe gaben für den beliebten Schauspieler („Polizeiruf 110“, „Die stillen Trabanten“) den Ausschlag, sofort zuzusagen: „Die erste Szene des Buches ist klassische Comedy, das war bereits ein Hauptgrund meiner Zusage. Und wenn Uhlmann dann den Tod seines Protagonisten beschreibt, ist das fast schon wie die Schilderung einer Nahtoderfahrung“, erklärte Hübner auf der Premierentour zum Kinostart im Kölner Odeon-Kino. Dessen Geschäftsführer Jürgen Lütz, der das Filmgespräch moderierte, wollte vom Regisseur wissen, ob es nicht schwierig gewesen sei, die ganzen introspektivischen Reflektionen im Roman filmisch umzusetzen. Hübner erläuterte daraufhin, dass er sich ganz bewusst gegen den in Hollywood-Filmen oft typischen Ich-Erzähler aus dem Off entschieden hätte. „Daraufhin ist rund die Hälfte des 260 Seiten dicken Buches bereits unter den Tisch gefallen.“
Einfallsreiches Team
Charly Hübner war es trotzdem wichtig, dass Thees Uhlmann von Anfang an in die Dreharbeiten involviert war, eine Drehbuchversion seiner Vorlage sollte er allerdings nicht selbst schreiben. Etliche visuell spannende und herausfordernde Szenen, die in Uhlmanns Roman detailreich geschildert werden, scheiterten in der filmischen Umsetzung dann aber aus finanziellen Gründen. Um das Duell zwischen den beiden Todesengeln mit Lichtschwertern überzeugend umzusetzen, hätte man an das Budget locker eine weitere Null dranhängen können, weswegen diese Idee schnell vom Tisch war. Aber auch die tatsächliche Visualisierung kann sich sehen lassen, zumal der Sounddesigner Dominik Schleier sich hier allerhand einfallen ließ, um die Tragweite dieses Kampfes zu unterstreichen. Dass sich Morten de Sarg (Marc Hosemann) und Morck Mortus (Carlo Ljubek) hier nun eher einen Kampftanz liefern, ist dem Einfallsreichtum der Darsteller geschuldet. Hübners ursprüngliche Idee ging in Richtung mexikanischer Totenrituale, Marc Hosemann fing dann aber mit einer Art Flamenco-Tanz an, den Carlo Ljubek bereitwillig aufgriff. „Wir haben mit der Kamera nur noch auf das reagiert, was die beiden da vollführt haben. Und Regen setzte in der Szene dann ganz von alleine ein, lediglich den Wind mussten wir künstlich erzeugen“, führte Hübner weiter aus. Eine andere wichtige visuelle Komponente geht hingegen voll und ganz auf die Kappe des Schauspieler-Regisseurs: die Imbissbude über den Dächern von Berlin, wo sich die Todesengel ihre Aufträge abholen.
Balance zwischen Humor und Drama
In Köln erläuterte Hübner, dass er diese Imbissbude ein Stückweit an die Filme Aki Kaurismäkis („Fallende Blätter“) angelehnt habe, da es sich hierbei seiner Meinung nach um eine Art magisches Portal handle. „Auch im wirklichen Leben öffnet sich an der Imbissbude die Seele der Menschen, die diese nach ihrem harten Arbeitsalltag aufsuchen. Außerdem war es mir wichtig, dass in der Visulisierung Thees‘ Tonfall und seine melancholische Ironie eingefangen werden“, so Hübner. Generell war es dem Regisseur sehr wichtig, stets die Waage zu halten zwischen extrem albernen Szenen, die in erster Linie in der ersten Filmhälfte auftreten, und den äußerst tiefgründigen Momenten, in denen über das Leben und die Vergänglichkeit philosophiert wird. Die finale Vater-Sohn-Begegnung im Film sollte ursprünglich ganz stringent erzählt werden und wurde auch so gefilmt. Im Schnitt stellte sich dann aber heraus, dass „der Film in eine andere Richtung wollte“. Da die Szene in konventioneller Weise rund 20 Minuten gedauert und das Geschehen unnötig ausgebremst oder die Streichung vorangegangener Szenen bedeutet hätte, entschied sich Hübner für eine zerhackstückelte Version, bei der für die Himmelfahrt des Protagonisten dann „einfach Bild auf Bild gelegt“ wurde. Das Ergebnis zeugt von Hübners exzellentem Regiegespür, weswegen man weiteren Arbeiten des Schauspielers auch in diesem Gewerk mit Freude entgegenfiebern kann.
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