Mittwoch, 30. August: Als die Iranerin Reyhaneh Jabbari im Oktober 2014 hingerichtet wurde, hatte ihr Fall längst die Aufmerksamkeit der ganzen Welt erregt. Mit 19 Jahren hatte die junge Frau sich gegen die Vergewaltigungsversuche eines ehemaligen iranischen Geheimdienstmitarbeiters mit einem Messer zur Wehr gesetzt, woraufhin der Angreifer starb. Jabbari wurde daraufhin wegen vorsätzlichen Mordes zum Tode verurteilt und bekam keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährt. Ihre kämpferische Mutter Shole Pakravan machte den Fall schließlich öffentlich, was ihr im Iran selbst eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung einbrachte. Auch im Ausland versuchte man massiv, eine nochmalige Überprüfung des Falles in die Wege zu leiten, was am Ende aber ergebnislos blieb. Nach sieben Jahren Gefängnisaufenthalt wurde Reyhaneh Jabbari am 25. Oktober 2014 durch den Strang hingerichtet. Die deutsche Filmemacherin Steffi Niederzoll („Lea“) hat sich des Falls nun in ihrem Dokumentarfilm „Sieben Winter in Teheran“ angenommen, der im Februar 2023 auf der Berlinale seine Weltpremiere feierte und nun am 14. September bundesweit in den Kinos starten wird. Im Rahmen des 5. Europäischen Literaturfestivals Köln-Kalk konnte man den Film nun in den Lichtspielen Kalk in einer Preview sehen, in Anwesenheit von Reyhaneh Jabbaris Mutter Shole Pakravan.
Angst vor dem Gericht
Organisiert wird das Europäische Literaturfestival Köln-Kalk, das noch bis zum 3. September läuft, gemeinsam von Integrationshaus e.V., KLiteratur, parasitenpresse und KUNTS e.V., Jonas Linnebank und Elizaveta Khan führten gemeinsam durch den Abend. Shole Pakravan wünschte sich bei der Einführung, dass das Publikum den Film „mit den Augen und dem Herzen“ anschauen möge. Beim anschließenden Filmgespräch erläuterte sie dann, dass sie den Film bis heute noch nicht ganz gesehen habe, weil er sie bei einem ersten Versuch emotional zu sehr mitgenommen habe. Insgesamt drei verschiedene Teams waren an der Entstehung beteiligt, etliche von den Mitarbeitern bleiben im Abspann anonym. Denn neben heimlichen Handyaufnahmen, die noch zur Zeit von Reyhanehs Inhaftierung entstanden und bei Besuchen der Familie im Gefängnis aufgenommen wurden, enthält der Film auch etliche dokumentarische Aufnahmen von iranischen Institutionen, die verboten sind und den Urhebern bis zu fünf Jahre Gefängnis einbringen könnten. Auf eine Frage aus dem Publikum, warum Pakravan die Situation ihrer Tochter nicht schon wesentlich früher öffentlich gemacht habe, antwortete sie: „Ich hatte Angst, ihre Lage öffentlich zu machen. Wäre ihr Fall schon früher in den Medien verhandelt worden, hätte das Gericht das zum Anlass nehmen können, ihre Hinrichtung noch schneller durchzuführen.“ Im Nachhinein ist Shole Pakravan aber dankbar, dass international so viele Menschen auf das Schicksal ihrer Tochter aufmerksam wurden.
Petitionen gegen Hinrichtungen unterschreiben
Shole und ihre Familie wären nach der Hinrichtung ihrer Tochter in die Düsternis gerutscht. „Das Beileid aus aller Welt, das uns entgegengebracht wurde, hat uns die Kraft gegeben, wieder ins Leben zurückzufinden“, erläuterte die Aktivistin in Köln. Shole Pakravan und ihre beiden jüngeren Töchter leben mittlerweile in Berlin, dem Vater ist die Ausreise aus dem Iran nach wie vor nicht möglich, weil ihm die Ausstellung eines gültigen Reisepasses von der iranischen Regierung verweigert wird. Pakravan wies abschließend darauf hin, dass der Fall ihrer Tochter im Iran etwas ganz Alltägliches sei. In den letzten Monaten sei alle vier Stunden im Iran ein Mensch hingerichtet worden. „Die Menschen im Iran können das deutsche Parlament nicht erreichen, aber Sie können es“, sprach Shole Pakravan das Kinopublikum in den Lichtspielen Kalk direkt an. „Indem man Petitionen zur Begnadigung von zum Tode Verurteilter unterschreibt, kann man die Hinrichtungen vielleicht nicht verhindern, aber zumindest die Familien unterstützen.“ Im Anschluss an das Filmgespräch signierte Pakravan im Foyer noch Exemplare ihres Buches „Wie man ein Schmetterling wird. Das kurze, mutige Leben meiner Tochter Reyhaneh Jabbari“, das sie gemeinsam mit Steffi Niederzoll geschrieben hat.
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