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Künstler Stefan Marx und Galerist Nils Müller
Foto: Rebecca Ramlow

Basisdemokratische Kunst

11. Februar 2020

Die Galerie Ruttkowski;68 und „Ridiculous Drama“ von Stefan Marx – Kunst 02/20

Wer etwas Irres in lässig-simpler Verpackung erleben möchte, sollte in die Ruttkowski;68 in der Lichtstraße gehen. Auch Menschen mit Angst vor dem Zahnarzt sind willkommen. Aber dazu später.

Galerist Nils Müller eröffnete den Kunstraum, der in Paris eine Dependance hat, vor zehn Jahren zunächst im belgischen Viertel, bevor ein Umzug nach Ehrenfeld erfolgte. Der ursprünglich aus Bochum stammende Aussteller war selber in der Graffiti-Szene unterwegs und als künstlerischer Fotograf tätig, bevor er seine Leidenschaft für das Ausstellen entdeckte. Vielleicht hat ihm diese persönliche Erfahrung ein Fenster zur Subkultur eröffnet und einen lockeren, nicht elitären Umgang mit Kunst ermöglicht.

Doch woher rührt die Bezeichnung „Ruttkowski“? Das ist nicht etwa der Name seiner punkigen Ruhrpott-Oma. Auch nicht der einer Trinkhalle. Aber fast, ist er doch angelehnt an einen engen verstorbenen Freund: einen Diskjockey namens Sven „Rutte“ Ruttkowski, der mit dem Schauspieler Oliver Korittke das DJ-Duo Bang Bang Boom ins Leben rief, bevor er inmitten eines Gigs kurz vor der Eröffnung der Galerie – einem Drama gleich – verstarb. 1968 ist das Geburtsjahr jenes verschiedenen Menschen. So sind in nur einem Namen auf künstlerische Weise zwei konträre Dinge vereint: Lebensanfang und Sterben. Diese Widersprüchlichkeit des Lebens begleitet und verfolgt den 37-jährigen Müller schon lange.


Ausstellung „Ridiculous Drama“ von Stefan Marx, Foto: Ruttkowski;68

Müllers künstlerischer Ansatz: Statt Hierarchien eine Art basisdemokratische Herangehensweise, um eine möglichst breite Vielfalt an verschiedenen Kunstformen unter einem Dach zu vereinen: zeitgenössische Kunst, moderne Malerei, aber auch Skulpturen und Installationen. Sein Ziel: auf diese Weise Kreative aus den verschiedensten Szenen mit den unterschiedlichsten Hintergründen auszustellen und wild zu mischen, so dass ein bunter Austausch zwischen Privilegierten und Nicht-Privilegierten entstehen kann.

Da die Dialektik des Lebens ihn seit jeher in den Bann gezogen hat, lud Müller den Illustrator Stefan Marx bereits zum vierten Mal in die Ruttkowski;68 ein. Betritt man aktuell die Galerie, überkommt einen zunächst das ungute Gefühl, man sei versehentlich beim Zahnarzt gelandet. Schuld sind die weinenden und lachenden Zähne, diverse Augen mit verschiedenen Gefühlsausdrücken, kleine Gespenster und Schriftzüge, die die Wände der Galerie zieren. Inspiriert ist die Ausstellung „Ridiculous Drama“ wie viele Werke Marx’ von Menschen und Wörtern aus seinem eigenen Alltag: Der aus Hessen stammende, heute in Berlin lebende Künstler und Designer befreit sie aus ihrem ursprünglichen Kontext, indem er sie in einen neuen, eigenen bringt. So entsteht die für Marx, der Typographie und Kritische Kulturphilosophie studierte, bekannte Mischung aus melancholisch-musikalischen Drucken und karikaturesk-kuriosen Figuren. Das Ergebnis: ironische Lachhaftigkeit. Das Leben als Drama. Aus Alltäglichem umgeformte Wahnsinns-Kunst.


Ausstellung „Ridiculous Drama“ von Stefan Marx, Foto: Ruttkowski;68

Müller gefällt an Marx’ Kunst, mit dem er inzwischen so etwas wie künstlerisch verbandelt ist, vor allem der Kontrast zwischen düsterer Melancholie und komischer Karikatur, fühlt er sich doch auch sehr von Humor angezogen. So erzählen die Werke des Berliner Künstlers auf humorvolle Weise verschiedene, sehr persönliche Geschichten. Die Idee mit den Zähnen kam Stefan Marx tatsächlich bei einem Zahnarzt-Besuch: Statt panisch die Flucht zu ergreifen oder aus Angst in die Hand des Arztes hineinzubeißen, prägte er sich ein dort herumstehendes, wenngleich seltsames Bild eines Beißerchens ein.

An der Oberfläche mag dieses Drama profan und lächerlich wirken. Doch geht man einen Schritt weiter, kann der Besucher viel hineininterpretieren. Zum Beispiel: 1.) Das alltägliche Leben scheint manchmal nervig bis hin zu grotesk-tragisch zu sein. Aber vielleicht lässt es sich mit Humor und Ironie – einem lachenden und einem weinenden Auge – besser ertragen. 2.) Man braucht keinen Doktortitel, um Zahnbilder zu verstehen oder zu kreieren. Und 3.) Vielleicht lässt man sich beim nächsten Arztbesuch oder im Supermarkt – oder wo auch immer man sich aufhält – selber – so wie Stefan Marx – inspirieren.

Bei der Art Cologne ist die Galerie in diesem Jahr mit eigenen Spaces und Ausstellungen unter anderem mit Lars Eidinger vertreten.

Stefan Marx: Ridiculous Drama | bis 22.3., Mi-So 12-18 Uhr | Ruttkowski;68, Lichtstraße 8 | 0221 16 99 36 47

Rebecca Ramlow

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