Er sah damals ein bisschen aus wie eine Mischung aus Brian Eno und Ziggy Stardust, aber in den späten 70ern hat man das gar nicht so empfunden. Der längst emeritierte Fotografie-Professor Jürgen Klauke war da noch ein Tausendsassa der alternativen Kunstszene: Performances am Rande des Exzesses, Fotografie immer am Rande des guten Geschmacks – vorsätzlich natürlich. Seine künstlerische Projektionsfläche war (und blieb) sein Körper und das war damals ziemlich außergewöhnlich und entsprach noch nicht dem Zeitgeist. Mit der Performance „Zweitgeist“ schaffte er es 1987 auf die berühmte Manfred-Schneckenburger-„Junge-Wilde“-documenta 8.
Jetzt ist Klauke im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen. In „Selbstgespräche. Zeichnungen 1970 bis 2016“ blicken wir auf die gesammelten Tageszeiten des selbsternannten „intermedialen Aktionisten“, der die Nacht lieber zur immer neuen Auseinandersetzung suchte, den Tag zum Zeichnen. Klar, irgendwann muss auch der Kölner mal geschlafen haben, aber die erotografischen „Tagesberichte“ aus den Jahren 1970 und 71 sind nun mal entstanden und der Exzess begleitet auch die detailreichen Zeichnungen, in denen ein Geschlecht die surreale Welt erkundet. Wie ein filigran reduzierter Hans Bellmer, der gerade das „Yellow Submarine“ (GB/USA, 1968) im Kino gesehen hat, vermischen sich da Körper, Posen, Geschlechter. Mal schwebt eine Krone als Duschkopf über allem, mal stecken die Köper in festgenagelten Korsagen. Da muss viel los gewesen sein – tagsüber, zumindest mit Radiernadel und Tuschestift.
Optisch ergibt das in Brühl viele Tableaus, viel schwarz und weiß mit bunten Tupfern der jüngeren Arbeiten hier und da. Beim Eintritt leuchtet einem sofort das „Kommunikations-Vehikel“ von 2007 entgegen. Auch hier ist er der abstrahierten Linie treu geblieben. Farbige Eiweißlasur auf Bütten gab es bereits 15 Jahre früher bei „Stottern und Stammeln/täglich“. Andere schreiben eben Tagebuch, Zeitgenossin Hanne Darboven hatte da sicher bereits einen Kleiderschrank voll Linien-Hefte und Klaukes 13-teilige farbige Fotosequenz „Dr. Müllers Sex-Shop oder So stell' ich mir die Liebe vor“ (1977, als Installation: 50 x 520 cm) bereits Kultstatus, dennoch hat er weiter und wieder auf Papier gearbeitet, ein Zustand der, obwohl immer mal wieder in Einzelaspekten ausgestellt, bis heute nicht so bekannt ist. Insofern ist die absolut sehenswerte Brühler Schau eine korrekte Gesamtdokumentation seiner Zeichnungen aus fast fünf Jahrzehnten und irgendwie auch eines Lebens, das seine eigene Existenz und Körperlichkeit immer in Frage gestellt hat und penetrant zwischen Sinnkrise und Euphorie pendelte. Die Pistole, die mich an eine meiner frühen Lieblingsarbeiten (Triptichon aus „Formalisierung der Langeweile“, 1980) erinnert, finde ich in den Tageszeichnungen „Sekunden“ (1975/76) in Brühl wieder. Erotik und Gewalt oder Sex mit Knarre? Vieles bleibt bei Klauke auf einer geheimnisvollen Metaebene, die man zwar erkunden, sich aber nicht vom 73-Jährigen erklären lassen kann, sonst wäre der ja nicht Künstler geworden.
„Jürgen Klauke – Selbstgespräche. Zeichnungen 1970 bis 2016“ | bis 16.7. | Max Ernst Museum, Brühl | 02232 57 93
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