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Räume zum Wohnen

26. März 2015

Martin Rosswog in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 04/15

Man kann nicht nahe genug an die fotografischen Bilder von Martin Rosswog herantreten. Auch wenn seine Serien Aspekte des Dokumentarischen und Volkskundlichen tragen und viel mit Geographie zu tun haben, so tragen sie doch Züge reiner Malerei. Und sie liefern beim Sehen immer neue Entdeckungen. Rosswogs Forschungsgegenstand sind gewöhnliche Wohnhäuser im wenig besiedelten ländlichen Raum in ganz Europa, teils an der Peripherie zur Stadt, teils geradezu außerhalb der Zivilisation. In Millimeterarbeit präzise komponiert, kennzeichnet seine Bilder das Gespür für das Leben der Bewohner und ihre Ordnungen des Heimischen.

Die Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur zeigt derzeit in Ausschnitten etliche Serien des 1950 geborenen, in Lindlar lebenden Fotografen. Die Werkgruppen beginnen mit einer Porträt-Aufnahme der Hausbewohner im oder vor dem Gebäude. Daran schließt eine Sequenz an, welche sich durch das Interieur tastet und sich insbesondere den Räumen widmet, in denen sich die Bewohner aufhalten und die folglich im Hinblick auf Praktikabilität und Wohlfühlen eingerichtet sind. Ein Motiv im einen Foto taucht im nächsten wieder auf. Weitere Aufnahmen zeigen dann die Gebäude von draußen, also in der landschaftlichen und dörflichen Umgebung. Mitunter gehört zu diesen Serien eine zwei- oder dreiteilige Panorama-Aufnahme der weiteren Gegend. – Man könnte das auch so begreifen: Rosswog kommt aus der Ferne immer näher und blickt schließlich in den Mikrokosmos des Privaten. Während die Innenräume in Farbe gegeben sind, sind die Exterieurs meist in s/w. Manchmal hat Rosswog mehrere Häuser in einer Region porträtiert, so wie er auch nach Jahren seine Arbeit ergänzt oder fortsetzt. Sein Plan ist dabei die Erfassung Europas vom Westen der iberischen Halbinsel bis in den tiefsten Osten. Das klingt vielleicht etwas didaktisch und theoretisch, wie ein Plädoyer für ein vereintes und doch lokales Europa. Aber viel eher geht es Rosswog darum, Eigenes und den schleichenden Verlust von Kultur und schließlich Identität zu konstatieren, also den Blick für das Besondere zu schärfen. Das beginnt mit den verschiedenen Haustypen und der Teilung der Räume, wobei neben vertrauten, durchweg gleichen Strukturen auch – teils amüsante – Sonderfälle konstatiert werden.

Bei der Einrichtung spielen von Mal zu Mal die Farben der Wände und die Gegenstände eine Rolle, die mit Überlieferung, Religiosität und persönlicher Erinnerung zu tun haben. Da bröckelt eine Tapete von der Wand ab und bekommt dadurch eine Fragilität und Vernutztheit, die wir augenblicklich auf den gesamten Raum übertragen und vielleicht als Zeichen für den Zustand der Traditionen interpretieren. Dann wieder sind mehrere Porträtfotos auf einem Tischchen zusammengerückt und erhalten in dem menschenleeren Raum etwas Anrührendes: die Ahnung eines ganzen Lebens mit seiner Verästelung. Einzelne Küchengeräte sind gegen neuestes Inventar ausgetauscht, welches allerdings nicht in die Zeile passt. Oder in einem anderen Interieur befindet sich auf einem hohen Schrank eine genormte Plastikkiste mit Nahrungsmitteln, fast als wäre sie schon immer dort – und schon da spürt man, wie eine neue Zeit von der bisherigen ländlichen Ordnung, die sich gerade noch gegenüber der Großstadt abgeschottet hat, Besitz ergreift. Zugleich arbeitet Rosswog daran, Heimisches zu dokumentieren, also mithin ein „Bild“ der jeweiligen Gegend und des Landes zu vermitteln.

Martin Rosswog, der erst Soziologie und dann bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat, hält mit seinen fotografischen Aufnahmen, die ein großes Einfühlungsvermögen und das Vertrauen der Bewohner voraussetzen, die leisen Veränderungen in einer globalisierten Welt fest und das, was davor war: wie schön, wie humorvoll, wie traurig.

„Martin Rosswog – Entlang Europa“ | bis 9.8. | Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur | www.photographie-sk-kultur.de

PETER ORTMANN

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