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Foto: Lena Rocholl

Für mehr Unabhängigkeit

14. Juli 2022

Neues Selbstbestimmungsgesetz – Spezial 07/22

Selbstbestimmung – ein hohes Gut, das für viele Menschen in unserer Gesellschaft selbstverständlich sein darf. In der offiziellen Bedeutungsbeschreibung des Begriffs im Duden heißt es „Unabhängigkeit des bzw. der Einzelnen von jeder Art der Fremdbestimmung (z. B. durch gesellschaftliche Zwänge, staatliche Gewalt)“. Doch eben dieser Fremdbestimmung sind bis heute viele Menschen in Deutschland ausgesetzt, wenn sie trans*, nicht-binär oder intergeschlechtlich sind.

Das seit über vierzig Jahren geltende, sogenannte Transsexuellengesetz sieht für die Änderung des Personenstands einen durch verschiedene Gutachten begleiteten Prozess vor, der für die Betroffenen häufig nicht nur zur finanziellen, sondern auch zur seelischen Belastung wird. Das will die Bundesregierung ändern und stellte am 30. Juni die Eckpunkte für das neue Selbstbestimmungsgesetz vor, welches das bisher geltende TSG ersetzen soll. Im neuen Gesetzesentwurf ist verankert, dass eine Personenstandsänderung für Menschen ab 14 Jahren durch eine einfache Erklärung vor dem Standesamt möglich wird – ohne ärztliche Attests oder gerichtlich eingeholte Gutachten.

„Die Gesetzesänderung würde es uns ermöglichen, wesentlich mehr auf die psychosoziale Ebene einzugehen – und weniger juristische und organisatorische Dinge innerhalb der Beratung regeln zu müssen“, sagt Merit Kummer vom Kölner rubicon e.V. Der Verein bietet Unterstützung und Beratung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queer lebende Menschen. Kummer und Helix Große-Stoltenberg arbeiten dort in der Trans*Beratung, in der jährlich circa 400 Einzelberatungen stattfinden. Sie erleben momentan eine Zeit, die von viel Unsicherheit  geprägt ist: „Gerade gibt es immer die große Frage: Wie sicher ist es, dass das Gesetz kommt und wann es kommt, aber auch wie es kommt?“, erklärt Große-Stoltenberg.

Aber auch ein Punkt, der sich gar nicht auf die Betroffenen selbst beziehe, werde oft außer Acht gelassen: „Mit der bisherigen Regelung wird auch den Personen, die begutachten, etwas zugemutet: Denn wie soll jemand sagen, wie sich die Geschlechtsidentität eines anderen Menschen entwickeln wird? Und wie soll festgelegt werden können, dass sich eine bestimmte Geschlechtsidentität nun voraussichtlich den Rest des Lebens nicht mehr ändern wird?“, sagt Kummer. Mit der Durchsetzung des Gesetzes gäbe es endlich eine einheitliche Regelung – und eine reale Möglichkeit zu dem, was wir als Selbstbestimmung definieren: Unabhängigkeit.

Lena Rocholl

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