Bereits vor Einlassbeginn, gegen acht Uhr am kühlen Abend, bilden etwas mehr als 50 Menschen zwischen Jung und Alt eine Schlange vor der einzelnen Tür, die im Kölner Stadtgarten einige Stufen hinab zum Studio 672 führt. „Das heutige Konzert von Lisa Hannigan ist restlos ausverkauft“, verkündet ein weißes DIN-A4-Blatt auf schwarzen Lettern von der Innenseite der Glastür, die zum anderen Konzertsaal weiter oben führt. Eine Frau möchte ein übrig gebliebenes Ticket verkaufen, die einzigen spontan Eingetroffenen suchen allerdings mindestens drei Karten. Es fängt an zu regnen, unter den Dächern der bereits aufgebauten Hütten des noch geschlossenen Weihnachtsmarkts stellen sich einige Gekommene unter. Die Atmosphäre ist gemütlich, die Stimmung freundschaftlich.
Sie wünsche, sie sei etwas größer, sagt Lisa Hannigan am Mittwochabend im Studio 672 zu ihren Zuhörern. Dann würde sie auch jene Gäste sehen können, die weiter hinten Platz gefunden haben. Der Blick der Irin mag nicht jeden Anwesenden treffen. Ihre Stimme, die trotz vieler hoher Töne für Tiefe und Tiefgründigkeit sorgt, kommt aber in jedem Winkel des Konzertsaals an. Zu einem dunklen Kleid mit etwas hellerem Muster trägt Hannigan abwechseld eine Gitarre oder Mandoline. Ihr am meisten beeindruckendes Instrument bleibt jedoch die Stimme. Stellenweise flüstert die Sängerin ins Mikrofon, verliert dabei nie den Kontakt zum Publikum. Ihre Band rückt den Gesang stets in den Vordergrund. Einige Lieder sind traurig und langsam, einige ein bisschen fröhlicher und temporeicher – wegen des beinahe orchestral anmutenden Einsatzes der verschiedenen Instrumente reißt Hannigan stets mit.
Die einzelnen Stücke der Songschreiberin setzen sich aus Komponenten einiger Musikrichtungen zusammen. Immer gelingt es ihr, den Songs eine individuelle Note zu verleihen. Viel Folk, etwas Jazz, etwas Pop – vor allem aber bringt die Irin sehr viel Poesie mit. Wäre Hannigans Auftritt ein Soundtrack, würden die Coen-Brüder auf der Grünen Insel drehen. Die Zuschauer hören ihr gebannt zu, sorgen nur durch Applaus in den kurzen Pausen für eine Geräuschatmosphäre. Eine junge Frau an der Theke des Live-Clubs bewegt tonlos ihre Lippen, Köpfe wogen in der Menge.
Ende Oktober erhielt der Stadtgarten, in dem allein im November über 40 Veranstaltungen stattfinden, zum vierten Mal in Folge den „Applaus“-Preis – erstmalig als Spielstätte des Jahres. „Applaus“ steht in diesem Fall für die Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten. Die Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vergeben den Preis. Im kommenden Jahr wird sich der Stadtgarten nicht mehr um die Auszeichnung bewerben können. Als „Europäisches Zentrum für Jazz und aktuelle Musik“ wird er über 40 Prozent seines Umsatzes aus öffentlichen Mitteln finanzieren. Sicher werden im Stadtgarten jedoch weiterhin viele Menschen applaudieren.
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