Wenn ein ausgebuffter Theaterchef, Schauspieler und Autor ein ganz besonderes Stück zwei älteren renommierten Kollegen quasi „auf den Leib“ schreibt, und dann auch noch selbst auf der Bühne steht, das hat doch was, oder? So geschehen mit den Erz-Komödianten Jochen Busse und Hugo Egon Balder, bestens bekannt und hoch geliebt durch zahlreiche Rollen im Theater und Fernsehen, und zusammengeführt von René Heinersdorff – haben Busse und Balders doch noch nie zusammen Theater gespielt. Einzeln waren beide schon oft auf der Kölner Boulevardbühne zu erleben, Busse gar als schmähender „Frosch“ im Staatenhaus, der ewigen Ersatzspielstätte der Oper Köln. Und Heinersdorff bringt es auf beachtliche 150 komödiantische Inszenierungen und 16 Theaterstücke. Das Vorhaben ist auf jeden Fall bestens gelungen.
Die Story, die da über zwei Stunden vor vollem Hause abging, ist schon ein wenig verzwickt. Die junge Nadine (Katarina Schmidt) hat zwei Väter – Erik (Balder), den biologischen Vater, der sich noch vor ihrer Geburt verdrückt und sich nie wirklich um sie gekümmert hat, und Anton (Busse), den Stiefvater, der sie mit Ach und mehr mit Krach großgezogen hat, ein klassischer spießiger Bildungsbürger und Hypochonder mit einem Hang zur Eitelkeit und Selbstgefälligkeit. Seine Nasen-Korrektur versucht er zu verheimlichen mit der Folge eines zwerchfellerschütternden Disputs um die unnötige Operation und die Beisetzung seiner jüngst verstorbenen Frau – ein Running gag bis zur letzten Minute.
Beide Herren sind sich spinnefeind, haben sich ewig nicht gesehen, sind jetzt aber von Nadines Mama Ute (Alexandra von Schwerin) her zitiert worden, um deren Freund Björn (Heinersdorff selbst) kennenzulernen. Den hat sie allerdings schon seit zwei Jahren, dazu ist er 25 Jahre älter als Nadine und auch noch ihr Psycho-Therapeut. Und ein nichtssagender, hausbackener und mit Zitaten von Seneca und Habermas prahlender läppischer Besserwisser mit karierter Weste. Die Situation lässt den Beschützerinstinkt der beiden Väter aufflammen, nachdem sie sich zuerst wie zwei Kampfhunde angegiftet haben: Nadine wird auf einmal „unsere Tochter“.
Die Bonmots und Slapsticks prasseln nur so auf das hoch amüsierte Publikum ein, man muss aufpassen nichts zu versäumen. Ob es ums Haschischrauchen geht – „Wer Tiere frisst, kann nichts gegen Gras haben“ –, um Politik – „Willkommen“ heißt nicht „Wir schaffen das“ –, oder um die Größe des noch nicht gesehenen Lovers von Nadine: „Ist er kleiner als du? Alles andere kriegt man hin.“
Björn versucht als Therapeut auf die Versöhnung beider Väter per Rollenspiel als Mutter und Tochter einzuwirken, was nicht einfach ist, da Anton eine Affäre hatte mit der russischen Gynäkologin, dem „sibirischen Escort-Service“ von Frau und Tochter, die jetzt mit Erik rummacht, amtlich aber mit Björn verheiratet ist. Da soll einer mal den Überblick behalten bei der etwas überkonstruierten Geschichte – die aber von dem überbordenden komödiantischen Talent von Balder und Busse prächtig lebt. Heinersdorff vermag tapfer und erfolgreich gegen die beiden Alpha-Schauspieler gegenzuhalten, was den beiden Damen nur teilweise gelingt. Kein Wunder bei diesen Mitspielern.
„Komplexe Väter“, das im September in Hamburg zur Uraufführung kam, ist wunderbares Boulevard-Theater, mit auf den Punkt präzisem Timing, mit brillanten Ping-Pong-Dialogen, mit vielen kleinen Gags, und wenn es nur um den benachbarten Nobel-Italiener „Alfredo“ geht, wohin sich Erik verziehen will, da er „nicht Teil eines Erziehungsprogramms“ sein will, oder wenn Antons kritischer Geist in einer philosophischen Anwandlung „erfasst, was Helene Fischer singt“. Heftiger Applaus eines sichtlich hoch amüsierten Premierenpublikums.
„Komplexe Väter“ | R: René Heinersdorff | bis 27.4., Di-So | Theater am Dom | 0221 258 01 53
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