Jeden dritten Sonntag im Monat findet der Poetry-Slam „The Word is not enough“ im Kölner Club Blue Shell statt. Initiator und Veranstalter Alexander Bach spielt nicht nur auf den berühmten James Bond-Titel „The World is not enough“ von 1999 an, sondern präsentiert sich auch selbst im schwarzen Smoking und lässt die Titelmelodie des berühmten Agenten zur Einstimmung spielen.
Bach ist nicht nur Moderator, sondern auch Schiedsrichter des Abends. Obwohl er diesen Poetry-Slam schon seit mehreren Jahren betreibt, erklärt er für alle Neuzugänge noch einmal die Regeln: Acht Slammer dürfen jeweils sechs Minuten auf der Bühne Gedichte, Geschichten, Monologe oder Sketche aufführen. Einzige Voraussetzung: Es muss selbst geschrieben sein. Requisiten, Gesang und Musik sind nicht erlaubt und wenn die sechs Minuten überschritten werden, gibt es Punkteabzug. Hundert Prozent Abzug gab es nur einmal bei Bach selbst. „Muss man mal gemacht haben“, kommentiert er selbstironisch.
Auch das Publikum ist nicht nur zum Spaß hier, denn es muss entscheiden, welcher der acht Teilnehmer in das Viertelfinale, Halbfinale und Finale einzieht und letztendlich als Sieger hervorgeht. Jeder bekommt eine Karte, auf der passend zum Blue Shell eine Muschel abgedruckt ist. Gefällt die Performance dem Zuschauer gut, hält er seine Karte hoch. Je mehr Karten hochgehalten werden, desto mehr Punkte gibt es. Und die einzige Regel, die das Publikum zu befolgen hat, ist „Respect the Poets“ was so viel heißt wie: Klappe halten, wenn der Poet spricht.
Passend zum Wetter trägt Bach zu Anfang selbst das Gedicht „Auf Sommers Grill“ von dem Lyriker Peter Rühmkorf vor. Allerdings kann seine eigene Lesung über einen vorbeiziehenden Sommer, in dem „die Schöpfung schon ins Jenseits überlappt“, nur verhaltene Reaktionen hervorrufen. Vielleicht möchte niemand trotz brütender Hitze und heftigen Gewittern über das Ende des Sommers nachdenken.
In der Vorrunde treffen Slam-Anfänger und Profis aufeinander. Mit manchmal zitternden Händen und zerknittertem Papier präsentieren sie ihre Texte. Einzig und allein Nadine Duberke performed frei von jeden Hilfsmitteln. Ihr lyrisches Ich hat eine gestörte Kommunikation und Beziehung zur Mutter. „Jetzt stehst du hier vor meiner Tür und ich kann dir nicht sagen, dass ich explodier“ klagt es an und Duberke unterlegt ihre Präsentation mit dramatischen Pausen und weit ausholenden Gesten.
Dazu gehört Mut, denn andere Künstler wählen für das Publikum einen Weg, der zugänglicher und komödiantischer erscheint. Die Performance des Medienwissenschaftsstudenten Nils Frenzel z.B. verharrt leider im Klischee: Er berichtet über seinen Traum, mal Bauarbeiter zu werden, weil sowieso niemand akademisch arbeiten wollen würde. Er reproduziert Bilder von kiffenden, faulen Studenten, die ihren Studentenausweis ständig verlieren und Bauarbeitern, die gar nicht wissen, was sie mit ihrem ganzen Testosteron alles anfangen sollen. Selten hebt sich Frenzel davon ab. Seine Stärke liegt in seiner präsenten Stimme, mit der er seine Ausführungen dramatisch, aber nicht ohne einen Hauch von Ironie betont. Wahre Leidenschaft lässt sich erst in seinem finalen Vortrag erkennen, wenn er einer verlorenen Liebschaft hinterher weint und ihm klar wird, „was das für eine Zeitverschwendung war“.
Gleich mehrere Highlights bietet jedoch der Dichter Christoph Koitka, der mit Witz, Reim, aber auch Provokation überzeugen kann. Sein lyrisches Ich in „Worte und Taten“ schmachtet eine Frau aus der Ferne an, gelegentlich auch masturbierend. Es redet über die Angst davor, den ersten Schritt zu machen und auf sie zu zugehen. Auf einer selbstironischen Metaebene klagt Koitka auch seine eigene Dichtung an, mit der das lyrische Ich die Angebetete von sich überzeugen will: „Du bist doch einer von den Gestalten, die sich für den nächsten Goethe halten, die fehlerfrei zwei Worte reimt und sich beim Publikum einschleimt.“
Seine folgenden beiden Präsentationen im Halbfinale und Finale zeugen von einer ähnlichen Finesse. In „Helden“ spricht er über den Kindheitstraum, ein Held zu werden, der aber immer mehr in den Kompromissen des Lebens versackt. „Pärchenabend, Mädelsabend, Spieleabend und Tatortabend“ sind in diesem mittelmäßigen oder „beigen Leben“, wie Koitka es nennt, wichtiger geworden. Er spricht von Kindern, die Polizisten werden wollen, aber „ein Polizist ist ein Mensch, der an fremden Türen klingelt, während andere Leute Spaß haben.“ Koitka will ein „dunkler Ritter“ sein, der „alten Menschen bis zur Mitte der Straße hilft und ein freiwilliges asoziales Jahr macht“. Alle Menschen, die im Mittelmaß leben, würden dagegen dann wie echte Helden aussehen.
In seinem Finaltext „Zeitvertreib“ schlägt Koitka eine ernstere Tonart an und spricht noch einmal über das Dichten selbst: Für ihn stellt es einen Moment der Klarheit im „Hamsterrad“ des Lebens dar. Er trägt revolutionäre und kapitalismuskritische Gedanken vor: „Das Leben für das Gute verwenden, statt unser Leben für das Bauen neuer Fabriken zu verschwenden, wo sich Tiere totfressen und Kinder immer nähen, damit wir genug Fleisch essen und dabei noch gut aussehen.“ Koitka geht aus diesem Abend zu Recht als Sieger hervor und darf zur Belohnung, und dem James Bond-Thema entsprechend, eine Flasche Martini mit nach Hause nehmen.
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