Ob die „Ruhrlandschaften“ mal so angesehen sein werden wie die Porträts des frühen 20. Jahrhunderts von August Sander? Vergleichbar aussagekräftig und zeittypisch ist Joachim Brohms fotografische, zwischen 1981 und 1983 im Ruhrgebiet entstandene Serie gewiss. Sie wendet sich den Folgen des Strukturwandels mit der Umwidmung von industriellen Nutzflächen zu Freizeitarealen zu. Im Fotoraum des Museum Ludwig sind nun elf Aufnahmen aus der eigenen Sammlung ausgestellt. Fotografiert von erhöhten Standpunkten und in überschauender Ferne, halten sie im Format 50 x 60 cm Orte an der Peripherie der Ruhrgebietsstädte fest, die die Menschen nach der Arbeit für sich vereinnahmen. In den gegebenen Perspektiven öffnen sich die Areale meist wie ein Krater, im Hintergrund oft beschlossen vom Himmel.
Aufgenommen sind die Bilder in Farbe – was bemerkenswert ist. In diesen Jahren wurde sie gemeinhin als Mittel der Werbung verstanden. In den USA allerdings begann sich die Farbe als künstlerisches Ausdrucksmedium von Situationen im öffentlichen Raum zu etablieren: Für Brohms Werk war dies ein wichtiger Impuls. Geboren 1955, hat Joachim Brohm 1977-83 Visuelle Kommunikation an der Folkwangschule in Essen studiert. Die fotografische Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet und die „Ruhrlandschaften“ stellen sozusagen seine Gesellenstücke dar.
Landschaft und Mensch
Aber nicht nur die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Beruf und Privatleben, mit dem Verhalten der Menschen in diesen Gegenden der Schwerindustrie, mit Technik und neuem Wohlstand auf tiefschürfende, auch kritische Weise machen den Reiz seiner Bilder aus. Spannend sind auch die kompositorischen Lösungen. Aus der überschauenden Sicht ergeben sich wunderbare Verweise auf die Kunstgeschichte. Und, was ist eine Landschaft überhaupt, wie wirkt das Tageslicht auf ihre Farben ein? Und dann erzählt jedes Bild seine eigene Geschichte, berichtet von der Inbesitznahme durch den Menschen, der sich winzig wie eine Ameise im Bildgeschehen aufhält: im Wasser schwimmt, im Fluss Kajak fährt, das Auto auf einem Parkplatz abgestellt hat oder eine Neubausiedlung anlegt.
Inmitten des Bandes der „Ruhrlandschaften“ hängt ein Block aus dreißig Fotografien der Serie „Areal“ (1992-2002). In dieser wendet sich Brohm ganz dem unscheinbaren Detail zu; er hat aus unmittelbarer Nähe fotografiert. Ort ist ein Gebäudekomplex bei München, aus dem die Firma weggezogen war. Im Jahrzehnt des Leerstands suchte Brohm nach den verbliebenen Spuren einstiger Nutzung, der Tätigkeit von Menschen und nach dem, was für die Zeit so charakteristisch war. Wie bei den „Ruhrlandschaften“ interessieren ihn Übergangssituationen in unserer Zivilisation, ausgehend von alltäglichen Situationen, die doch so symptomatisch sind.Aber das ist im Museum Ludwig noch nicht alles: Im seitlichen kleinen Raum sind neun Aufnahmen aus Chargesheimers Serie „Im Ruhrgebiet“ (1958) ausgestellt, die natürlich in schwarz-weiß ist. Also, es gibt viel zu sehen und zu erfahren.
Joachim Brohm. Ruhrlandschaften | bis 27.9. | Museum Ludwig | 0221 22 12 61 65
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