Intensive Landwirtschaft arbeitet auf ihr eigenes Ende hin. Sie überfordert Böden, die zusehends auslaugen, setzt angesichts dessen auf steigende Beigaben von Düngern sowie von Pestiziden, da Krankheiten und Fressfeinde in den Monokulturen auf mitgenommenem Grund leichtes Spiel hätten. Können Beispiele indigenen Wirtschaftens dabei helfen, die richtigen Konsequenzen zu ziehen?
Wirtschaftspraktiken indigener Völker setzen auf Vielfalt. Die Khasi im Himalaya kultivieren hunderte unterschiedliche Lebensmittel durch wechselnden Anbau. Sie setzen auf eine Vielfalt, die im konventionellen Anbau zugunsten weniger Pflanzensorten weichen muss. Das beugt Ernteausfällen vor, da wenigstens ein Teil der angebauten Sorten unempfindlich gegenüber schlechteren Wetterbedingungen oder anderen Einflüssen sein sollte, die Vielfalt stellt zudem eine breite Versorgung mit Nährstoffen sicher. Die Meskwaki in Iowa kultivieren Humus, der aus vorherigen Fruchtfolgen zurückbleibt und Pilzgeflechte, die sich im Erdreich entwickeln. Das schont die Böden, die dadurch kontinuierlich unterschiedliche Nährstoffe anreichern können.
Inspiration für Stadtbewohner
Indigene Völker zeichnen sich auch dadurch aus, dass ihre Mitglieder die Nahrung, die sie anbauen oder erlegen, der Gemeinschaft zur Verfügung stellen und sie verzichten darauf, sich in großen Mengen zu bevorraten; was weder liegen bleibt, noch weggeworfen wird, wird auch nicht verschwendet, muss zudem nicht unter hohem Energieaufwand konserviert werden. Das schont Ressourcen und Artenvielfalt. Nebenprodukte verwenden indigene Völker konsequent weiter, bauen daraus Verpackungen oder Werkzeuge oder verarbeiten sie zu Kompost. Das kann auch Menschen inspirieren, die in Städten leben: Verstärkt regionale Lebensmittel einzukaufen und nur so viel, wie man tatsächlich auch benötigt, kann ein Äquivalent indigenen Wirtschaftens in urbanen Räumen sein.
Nahrung soll uns nicht nur irgendwie am Leben halten, sondern gesund erhalten und darüber hinaus Genuss bieten. Dennoch landet ein Drittel der Lebensmittel weltweit im Müll: Früchte sind zu groß oder zu klein, fallen bei der Ernte durch die Maschine, weisen optische Mängel auf oder nehmen beim Transport Schaden. Darüber hinaus befördern Endverbraucher selbst viele noch essbare Produkte in die Tonne – in weitaus größerem Umfang als Gastronomie oder Supermärkte. Dieser Verschwendung stehen vielfach Nahrungmangel und Hungersnöte gegenüber, die auch dadurch befördert werden, dass westliche Industrieländer Ackerflächen im globalen Süden belegen, die damit den Menschen vor Ort nicht für die eigene Versorgung zur Verfügung stehen.
Dem Klima gewachsen
Aktuelle Zahlen der Welthungerhilfe führen vor Augen, dass es bislang noch nicht gelingt, alle Menschen verlässlich mit Lebensmitteln zu versorgen: Derzeit hungern 811 Millionen Menschen. Würden Lebensmittel weniger verschwendet, ließe sich deren Verfügbarkeit laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen verbessern und der Hunger weltweit reduzieren.
Doch nicht nur Lebensmittelverschwendung und Verteilungsungerechtigkeit befeuern den Hunger in der Welt, auch die Klimakrise trägt dauerhaft dazu bei. Gerade für eine Anpassung an den Klimawandel ist lokales, indigenes Wissen bedeutsam. Es kann nicht zuletzt helfen, eine vielfältige Landwirtschaft zu etablieren, die den zunehmend wechselhaften Wetterbedingungen buchstäblich gewachsen ist, indem sie auf Sorten zurückgreift, die sich ihrer Umwelt fortlaufend anpassen und so von problematischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln unabhängig bleiben.
NIMMER SATT - Aktiv im Thema
foodwatch.org | Die internationale NGO streitet für Konsumentenrechte und gegen die undurchsichtigen Praktiken der Nahrungsindustrie.
vfed.de | Der Verband für Ernährung und Diätetik agiert als „Fachverband für alle im Bereich der Ernährung und Diätetik Arbeitenden und Interessierten“.
marktgilde.de | Die Deutsche Marktgilde eG informiert Händler, Kommunen und Verbraucher über ihr Angebot lokaler Wochenmärkte.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Menschheitserbe vs. Konzernmonopol
Intro – Nimmer satt
Wer nichts weiß, muss alles schlucken
Gesunde Ernährung ist möglich – Teil 1: Leitartikel
,,Aromastoffe sind das absolute Alarmzeichen’’
Lebensmittelexperte Hans-Ulrich Grimm über industriell erzeugte Nahrung – Teil 1: Interview
Weil es noch gut ist
The Good Food rettet Lebensmittel, die sonst entsorgt würden – Teil 1: Lokale Initiativen
„Mit Waffengewalt von ihren Ländereien vertrieben“
Landwirtschaftsexperte Markus Wolter über industrielle Landwirtschaft im globalen Süden – Teil 2: Interview
Souverän statt nur sicher
Das Wuppertaler Informationsbüro Nicaragua gibt Auskunft auch zu Agrarmodellen – Teil 2: Lokale Initiativen
Einfach besser essen
Regional, saisonal, bio – drei Wege zur gesunden Nahrung – Teil 3: Leitartikel
„Wir haben von unten nach oben umverteilt“
Nachhaltigkeitsforscherin Martina Schäfer über Landwirtschaft und Ernährung – Teil 3: Interview
Zwischen Saat und Kompost
Im Gemeinschaftsgarten Grünstich in Bochum-Hamme – Teil 3: Lokale Initiativen
Weniger Werbung, weniger Kalorien
Der politische Kampf gegen Adipositas – Europa-Vorbild: Großbritannien
Phallische Beeren
Man muss nicht klug essen, um ein Klugscheißer zu sein – Glosse
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Friede den Ozeanen
Teil 1: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 2: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
Stimmen des Untergangs
Teil 3: Leitartikel – Allen internationalen Vereinbarungen zum Trotz: Unsere Lebensweise vernichtet Lebensgrundlagen
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 1: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Der andere Grusel
Teil 2: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 3: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 1: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Wildern oder auswildern
Teil 2: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier