„Gut informiert vor Ort? Lokale Medienvielfalt auf dem Prüfstand“, unter diesem Titel diskutierten auf Einladung der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) Kölner JournalistInnen über die Zukunft von Regionalmedien. Eingangs wurde von LfM-Direktor Dr. Jürgen Brautmeier festgestellt, dass die Lage schwierig sei: Aufgrund von Einsparungen gäbe es in vielen Städten nur mehr eine Zeitung. Lokalredaktionen würden ausgedünnt. Entsprechend hoch sei die Fluktuation. Hier empfahl Simone Jost-Westendorf, Leiterin der LfM-Stiftung Vor Ort NRW, Vernetzung, dass man durch Kennenlernen aus Fehlern anderer lernen könne.
Heute stellen sich Medienmacher Fragen nach jungen Nutzern, neuen Formaten und vor allem Geld. Als Beispiel für Innovation wurde die Online-Zeitung merkurist.de vorgestellt, die für Mainz, Wiesbaden und Frankfurt Nachrichten bietet. „Wir binden die Leser in Echtzeit ein und erhalten von ihnen Impulse für Themen“, so Gründer Manuel Conrad. „Werbekunden bieten wir neben dem Banner Native Advertising, thematische Specials und digitale Prospekte.“ Dass die Leser nicht bereit sind, für Lokaljournalismus zu bezahlen, muss jedoch auch Conrad feststellen.
Angesichts von „Lügenpresse“-Vorwürfen wies DJV-Vorsitzender Prof. Dr. Frank Überall darauf hin, dass (Lokal-)Journalismus durch Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit überzeuge: „Heute muss der Journalist sein Handwerk erklären. Wichtig ist die professionelle Einordnung von Informationen.“ Dass die großen Verlage sich angesichts von Dumpinghonoraren bisher nicht auf ein Bezahlmodell geeinigt haben, hält er für einen Fehler.
Andi Goral, Gründer der Kölner Online-Zeitung report-k.de, erzählte, dass diese mit Aktualität, Nischenthemen, eigener Perspektive sowie Live-Ticker bei Ratssitzungen punkte. „Qualitätsjournalismus hat mehr Erfolg beim Leser und bringt hohe Klickzahlen.“ Doch von Werbung allein könne auch er nicht leben. „Wir machen zusätzlich journalistische Produkte für große Verlage und betreuen Blogs für Kunden.“
Die Online-Redaktionsleiterin des Kölner Stadt-Anzeigers Christine Badke erläuterte, dass bei ihnen Print und Online zwar einen ähnlichen Markenkern, aber andere Zielgruppen hätten. Lokales sei das wichtigste Ressort mit der größten Reichweite und von 6-24 Uhr besetzt. Gefragt nach Innovationen antwortete sie: „Es ist schon viel in Bewegung geraten. Alte Strukturen verschwinden langsam.“ Sie gibt allerdings zu, dass bei Projekten wie der Online-Community stadtmenschen.de dem Verlag der lange Atem gefehlt habe.
Aus dem Publikum wurde kritisch vermerkt, dass zu wenig über Bürgerinitiativen berichtet, Information falsch wiedergegeben würde. Für Außenstehende sei es schwer, das Innenleben von Redaktion zu verstehen und den richtigen Ansprechpartner zu finden. Weiterhin wurde nach der Bedeutung von Bild und Video beim Lokaljournalismus gefragt. Während die Wichtigkeit von Fotos außer Frage stand, waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass Videos für die meisten Redaktionen in der Herstellung zu teuer und zu aufwendig seien.
Einig waren sich auch alle, dass Regionalberichterstattung nach wie vor essentiell sei und die Menschen interessieren würde. Woher allerdings angesichts mangelnder Zahlungswilligkeit der Leser das Geld kommen solle, darüber herrschte Unklarheit. Bewusstsein für den Wert von guter journalistischer Arbeit zu schaffen, war ein Lösungsvorschlag, Offenheit für neue Ideen ein anderer. Der von der Journalistin Andrea Hansen gut und lebendig moderierte Abend endete daher mit einer gemischten Bilanz und einem Wehmutstropfen.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Weil es so sehr menschelt“
Christina Bacher über ihre Arbeit als Draussenseiter-Chefredakteurin – Spezial 01/23
„Die Kontrolle der Mächtigen verschwindet“
Für Frank Überall sind die Verkaufspläne von DuMont demokratiegefährdend – Nachgefragt 04/19
Über Glaubwürdigkeit, Bashing und verlorene Zielgruppen
3. Kölner Forum für Journalismuskritik im Deutschlandfunk – Spezial 06/17
Networking hilft
BÄM! Talks #2: Marlies Hesse und Tina Groll über Netzwerken – Spezial 02/17
Zum Stand des Aufstands
„Kunst & Medien als Protest“: Wege des digitalen Aufstands in der Türkei – Spezial 02/17
Wer aufgibt, hat verloren
Felix Klopotek und Bernd Wilberg beleuchten „Zonen der Selbstoptimierung“ – Literatur 02/17
Differenzieren statt pauschalieren
Diskussion zur Silvesternacht und ihren Folgen im Academyspace – Spezial 01/17
Wie alles anfing...
40 Jahre StadtRevue – Spezial 10/16
Grenzgängerin im Gefängnis
Solidaritätsabend für inhaftierte türkische Schriftsteller im Literaturhaus – Spezial 09/16
„Eine Art digital verlängerter Stammtisch“
Frank Überall, Vorsitzender des DJV, über Sparzwang und „Lügenpresse“-Vorwürfe – Thema 07/16 Freiheit
Versuch einer Selbstkritik
Diskussionsrunde zur Lage des Journalismus in Deutschland am 8.3. an der KHM Köln
Die Leser zahlen den Preis
Zeitungskrise und digitale Revolution höhlen die Vierte Gewalt nachhaltig aus – THEMA 08/14 MEDIEN
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Eine Historie des Rassismus
Der Kölner Rom e.V. unterstützt Sinti und Roma – Spezial 07/24
Zeitlose Seelenstifter
„Kulturretter:innen“ im NS-Dok – Spezial 06/24
Die Stimme des Volkes?
Vortrag „Was Populisten wollen“ in Köln – Spezial 06/24
Gezielt helfen
Ingrid Hilmes von der Kölner Kämpgen-Stiftung – Spezial 05/24
Zwangloses Genießen?
Vortrag „Die post-ödipale Gesellschaft“ im Raum für Alle – Spezial 04/24
Stabiler Zusammenhalt
„Der Streitfall“ in der Stadtbibliothek – Spezial 03/24
Der Traum von Demokratie
#Streitkultur mit Michel Friedman am Urania Theater – Spezial 02/24
Narrative der Armut
Christopher Smith Ochoa in der VHS – Spezial 11/23
„Gedenken ist kein rückwärtsgerichtetes Tun“
Seit rund einem Jahr leitet Henning Borggräfe das NS-Dok – Interview 10/23
Soziale Vision der Wärmewende
Konferenz in Bocklemünd – Spezial 10/23
Klimarettung in der Domstadt
Die 2. Porzer Klimawoche – Spezial 09/23
Alle Hebel in Bewegung setzen
Arsch huh, Zäng ussenander und Fridays for Future beim Gamescom City Festival – Spezial 09/23