Vor einem Jahr kam das Ende: nach gut 600 Jahren machte der Kölner Schlachthof dicht. Die Zeiten, da die Versorgung mit frischem Fleisch als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge galt, sind endgültig vorbei. In Zukunft sorgt die Fleischwarenindustrie dafür, dass Kölns Fleischtheken gut bestückt bleiben.Dabei kann der durchschnittliche Deutsche die hierzulande erzeugten Fleischmengen längst nicht mehr bewältigen. Man exportiert also. Russland und China sind feste Kunden, auf „Zukunftsmärkte“ wie Südafrika oder die Philippinen wird besonders geachtet. Zugleich sind die deutschen Lieferungen in die EU „auf hohem Niveau“ stabil. Ein gutes Viertel aller europäischen Fleischerzeugnisse sind deutsch, spanische und italienische Schinken erreichen auf den Plätzen gerade mal jeweils 11% Marktanteil. In deutschen Landen wird also für die Welt geschlachtet und damit ein herausragender Teil an Umweltzerstörung erbracht. Der Anteil der Fleischproduktion an der weltweiten CO-2 Emission entspricht dem des Straßenverkehrs – weitere Schäden, die durch die industrielle Landwirtschaft verursacht werden, sind darin noch nicht enthalten. EHEC zum Beispiel: Experten verweisen seit langem auf die Zunahme gefährlicher und resistenter Bakterien in Folge des hohen Antibiotika-Einsatzes in der Tiermast. Während alle Welt aufgeregt über die Perspektiven der E-Mobilität debattiert und staatliche Subventionen für deutsche Konzerne fordert, ist eine Fleischsteuer kein öffentliches Thema, obwohl selbst Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) schon einmal verschämt davon gesprochen hat.
Trotz steigender Lebenshaltungskosten hat Fleisch seinen Preis annähernd gehalten oder es wurde gar billiger. Obst und Gemüse haben dagegen überproportional zugelegt. Der Preis für Tomaten stieg im letzten Jahr – vor EHEC – um 52 %, der von Paprika um 41,4 %, selbst Kartoffeln und Zwiebeln wurden um mehr als ein Viertel teurer. Eine der Ursachen: Früchte, die nicht mehr perfekt aussehen, werden gleich auf den Müll gekippt. In Deutschland landet inzwischen gut die Hälfte aller essbaren Lebensmittel dort – mindestens 20 Millionen Tonnen im Jahr. Zugleich kommt kein Ernährungsberater und keine bessere Koch-Show mehr ohne den Tipp aus, mehr Gemüse und weniger Fleisch zu essen – ein Rat wohl vor allem für Besserverdienende. Clevere Starköche haben inzwischen die Doppelmoral perfektioniert. Während sie auf der Mattscheibe gebührenfinanziert gesunde Ernährung predigen, vermarkten sie als Unternehmer im Supermarkt nebenan billige „Sterneküche“ mit Hefeextrakt, Verdickungsmitteln und „Weißfischpulver“ alias Fischmehl. „Geflügelpfanne aus frei laufenden Tüten“ als Hit.
Mehr als Fleisch
Tiere sind mehr als Fleischlieferanten. Sie sind Teil unserer Umwelt und Kultur. Hund, Hamster oder Katze sorgen nicht nur für Abwechslung und emotionale Nähe. Man nehme die Hundesteuer. Sie spült beispielsweise eine erkleckliche Summe in die kommunalen Kassen. Teil der Wahrheit ist auch: Häufiger als man denkt werden Haustiere ausgesetzt, viele Tierheime sind überfüllt und unterfinanziert, obwohl sie eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrnehmen. Daneben sind im Stadtraum auch exotische Zuwanderer heimisch geworden. Seit langem leben etwa im Stadtwald und anderswo freifliegende Papageien in dichtgedrängten Schwärmen. Heimische Raubvögel haben da das Nachsehen. Ein Teil der Kölner Vögel ist übrigens inzwischen bis nach Wiesbaden ausgewandert. Eins haben die Gefiederten freilich immer gemeinsam. Ihre Vorfahren oder sie selbst entflohen aus privaten Käfigen oder aus zoologischen Gärten.
Kunst und Kult
Zoos sind seit knapp 200 Jahren fester Bestandteil der europäischen Kultur. Der Kölner Zoo ist einer der ältesten Deutschlands. Er wurde wie einst das städtische Theater vom vermögenden Bürgertum ins Leben gerufen. Mit seinen Besucherzahlen können heute weder Bühnen noch Bundesliga Schritt halten. Zum Zooprogramm selbst gehört inzwischen auch Künstlerisches. Die Zoowand wird von Graffiti-Künstlern gestaltet, die eine Jury bestellt hat. Das schmucke Zoowappen ziert ein Erdmännchen – der Art wird allgemein ein ausgeprägtes Sozialverhalten attestiert. Geheime Symbolgestalt des Zoos ist und bleibt aber der Affe Petermann. Der wurde in Köln zur Waise, vom Zoodirektor mit der Flasche aufgezogen und hatte kaum noch Kontakt zu Artgenossen. Er trat sogar im Kölner Karneval auf. Selbst diese privilegierte Gefangenschaft konnte seinen Drang nach Freiheit letztlich nicht zähmen. 1985 wurde Petermann bei einem Fluchtversuch erschossen und ist seitdem antiautoritärer Kult.
Unser Bild vom Tier entspricht unseren geheimen Wünschen und Träumen. Es dient als Blickfang und Projektionsfläche oder steht für das ganz Andere, das Verdrängte, das Wilde und Ursprüngliche. Tiere sind immer und überall allgegenwärtig, Tiermotive fester Bestandteil aller Arten von Kunst und Kultur. Die Oberhausener Kurzfilmtage widmeten sich gerade der Geschichte des Tierfilms. Das Freie Werkstatt Theater schiebt Oscar Wilde mit Pudel ins Bild – ersterer wurde übrigens wegen „Sodomie“ verurteilt. Das Wallraf streitet um eine „Dame mit Angorakatze“. Von der Biene Maja und dem Lamm Gottes einmal ganz zu schweigen.
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