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Whisky

Whisky
Uruguay/Argentinien/Deutschland 2004, Laufzeit: 94 Min., FSK 0
Regie: Juan Pablo Rebella, Pablo Stoll
Darsteller: Andres Pazos, Mirella Pascual, Jorge Bolani, Ana Katz, Daniel Hendler

Man hat es nicht leicht. Eingepfercht zwischen den Kolossen Argentinien und Brasilien sowie dem atlantischen Ozean fristet Uruguay ein eher bescheidenes Dasein. Selbst Heldentaten wie die Gewinne der Fußball-Weltmeisterschaften 1930 und 1950 sind mehr oder minder der Vergessenheit anheim gefallen. Versunken im Morast von Politik und Wirtschaft, aus dem sich das Land zum Ende des 20. Jahrhunderts gerade zu befreien schien, ehe spätestens das innenpolitische Desaster Argentiniens den kleinen Nachbarn wieder in den Strudel der südamerikanischen Finanzkrise hineinriss. Nicht eben fruchtbarer Boden für eine florierende Filmindustrie, geschweige denn ein eigenständiges Independent-Kino, wie auch die folgende Produktionsanekdote zu "Whisky" verdeutlicht: "Der Regieassistent geht telefonieren. Er kommt zurück und erklärt uns mit monotoner Stimme, dass sich der Drehplan für den nächsten Tag geändert hat [...], dass das Auto für die Szene am nächsten Tag, das Auto, das wir schon in mehreren Einstellungen zuvor verwendet haben, verkauft wurde. Das Auto ist ein schäbiger Schrotthaufen, den nur eine so nachlässige Person wie Jacobo, die Hauptfigur des Films, fahren kann. Ein Tontechniker fragt: 'Wer will denn so eine Kiste kaufen?' Der Regieassistent genehmigt sich einen kräftigen Schluck Bier und antwortet: 'Ein Schrotthändler'". Eine wahrlich bezeichnende Randnotiz zum derzeitigen sozialen Klima in Uruguay, die sich auch in den Hauptfiguren von "Whisky" manifestiert: Auf der einen Seite dokumentieren die Gebrüder Jacobo und Herman Köller sowie die Vorarbeiterin Marta Acu?a die Bevölkerungsverteilung auf 90% europäischer Abstammung plus einen Rest aus Mestizen und Mulatten (eine indigene Bevölkerung vermisst man bereits seit 1830). Andererseits beziehen die drei Protagonisten persönlich höchst unterschiedliche Stellungen, die dennoch für Lateinamerika mehr als exemplarisch sind. Jacobo, der sich geradezu lethargisch der familiären Tradition verhaftet präsentiert und die väterliche Strumpfproduktion weiterführt wie in grauer Vorzeit. Marta, die ihm dabei in stoischer Gelassenheit als rechte Hand zur Seite steht. Und Herman, der seiner Heimat den Rücken gekehrt hat, um im brasilianischen Ausland seine ererbte Fachkenntnis in bare Münze umzuwandeln. Drei Formen der Einsamkeit, aus denen der Film erst seine wahre Stärke entfaltet. Und das auf Basis einer äußerst simplen Geschichte. Nach dem Tod der Mutter, die Jacobo bis zum Schluss gepflegt hat, zu deren Begräbnis Herman aber nicht gekommen ist, kündigt sich der erfolgreiche Bruder nun zum Todestag an. Und das bedeutet nichts anderes, als heile Welt zu spielen. Nicht dass Jacobo jetzt vom freudlosen Zeitgenossen zum agilen Lebemann mutieren würde, das nicht, aber immerhin kürt der Ritter der traurigen Gestalt seine Sancha Pansa vorübergehend zur Ehefrau. Eine Lüge als erster Schritt zum Glück? Zumindest wandeln sich die eindringlichen Sinnbilder täglicher Tristesse (wie der allmorgendliche Versuch Jacobos, den auf ewig verschlossenen Rollladen in seinem Büro zu reparieren) in bitterkomische Momentaufnahmen einer neu gewonnenen, aber ungewohnten Zweisamkeit. Und doch: So sehr man es Marta und Jacobo wünschen würde, scheint dieser einfach nicht in der Lage, seine sich selbst verhehlende Einsamkeit, sein sich selbst auferlegtes Martyrium zu verlassen und zwingt somit alle Protagonisten, ihre eigenen Lügen in der Lüge bis zum Showdown durch zu exerzieren. Und was eignete sich für diesen besser als ein einstmals mondänes Strandbad, in das sich nach dem wirtschaftlichen Absturz nur noch ein paar Frischvermählte aus alter Tradition verirren. Gnadenlos einfühlsam und durch die statische Kameraführung noch verstärkt schleicht "Whisky" auf seinen Höhepunkt zu, um in einer so unerwarteten wie doch einzig möglichen Pointe zu gipfeln. Ein Film wie ein Rausch, bei dem man nicht um den Kater drum herum kommt. Irgendwie typisch lateinamerikanisch. Und noch dazu aus Uruguay.

(Lars Albat)

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