
Springsteen: Deliver Me From Nowhere
USA 2025, Laufzeit: 120 Min., FSK 12
Regie: Scott Cooper
Darsteller: Jeremy Allen White, Jeremy Strong, Paul Walter Hauser
Kraftvolles biographisches Drama
Born to Run
„Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ von Jeremy Strong
Bruce Springsteen wäre nicht Bruce Springsteen ohne Elvis und Bob Dylan. Ohne Rock’N Roll und dem Dang, der Nation den Spiegel vorzuhalten – das wahre Gesicht der USA. Springsteen will von den Menschen auf der Straße erzählen. Zugleich wäre Bruce Springsteen nicht Bruce Springsteen ohne das Kino. Schon früh in seiner Karriere bündelt der Musiker Terrence Malicks Debütfilm „Badlands“ in einen Song. Er zeigt sich beeindruckt vom New Hollywood der frühen 70er. Von der Wahrhaftigkeit der Filme eines Martin Scorsese. Paul Schrader legt Springsteen eines Tages ein Script auf den Tisch und möchte ihn als Darsteller engagieren. Das Script erzählt von einer Garagenband in Ohio und trägt den Titel: „Born in the USA.“
In der Doku „Der amerikanische Freund“ von Thomas Boujut betrachtet Springsteen die Musik und das Kino als Zwillingskünste, die sich ergänzen, die aber nicht wirklich miteinander vermischt werden können: Musik darf ihre Seele nicht an Bilder verlieren, die Menschen sollen in der Musik ihre eigenen Bilder finden. In „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ gehen Musik und Film Hand in Hand, ohne dass der Film die Musik verrät. Weil er nicht die Musik bebildert, sondern ihre Entstehung. Und weil sie von der Seele des Musikers erzählt.
Regisseur Scott Cooper („Crazy Heart“, „Feinde –Hostiles“) legt kein klassisches Biopic vor, in dem die Lebensstationen eines prominenten Kreativen aneinandergereiht werden und dabei viel zu oft das ausgespart bleibt, was Künstler:innen ausmacht: die Kunst, der Kreativprozess. Cooper fokussiert sich stattdessen bewusst auf eine besondere Lebensphase seines Protagonisten: Nach ersten großen Erfolgen zieht sich Springsteen (hervorragend bis in den Gesang: Jeremy Allen White“, „The Bear“) 1982 in sein abgeschiedenes Haus im Wald New Jerseys zurück. Er deckt sich ein mit Gitarre, Mundharmonika und Glockenspiel. Und mit einem Vierspurgerät. Hier, im Schlafzimmer, entstehen Songs. Songs, die in zwei Vinylscheiben münden werden: In dem späteren Hit-Album „Born in the USA“. Und in dem ungleich melancholischeren, düsteren Akustik-Album „Nebraska“. Es ist erstaunlich, wie hier zugleich dynamische Hits und Intimstes entsteht. Cooper erzählt von dieser Entstehung. Von Abgründen. Von Depression. Von Flucht. Von Zuwendung, Konfrontation und Befreiung.
Und Cooper erzählt von Jon Landau (Jeremy Strong, „The Apprentice“), der Springsteen managt und co-produziert. Bruce Springsteen wäre nicht Bruce Springsteen ohne Jon Landau. Während Springsteen zunehmend verzweifelt aus einer Angst heraus, dass die Seele seiner Musik nicht bewahrt bleibt, während er von den Dämonen seiner Kindheit heimgesucht wird, während Springsteen Lebenslust und Liebe verliert, findet er in Jon Landau einen Mentor und Freund. Lanau hält ihm den Rücken frei, vertraut bedingungslos Springsteens kreativem Potenzial, glaubt an Springsteen, ist ihm aus diesem Glauben heraus loyal zugewandt, fordert ihn zugleich und hält der Verzweiflung stoisch Optimismus entgegen. Landau wird das No-Hit-Album „Nebraska“ beim Produzenten durchboxen. Mit Auflagen: „Keine Single, keine Tour, keine Presse – kein Witz!“ Bedingungen, die heute undenkbar erscheinen. „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ ist auch ein Film aus einer anderen Zeit.
So wie „Nebraska“ ein geerdetes Album ist, so erzählt auch Cooper wundervoll geerdet. Auch wenn er dabei gelegentlich und notgedrungen zurückschaut in die Kindheit, bleibt sein Blick fokussiert auf 1982. Auf ein besonderes Jahr im Leben dieses 1949 geborenen Rockmusikers, der bis heute drei Stunden auf den Bühnen steht, der über Amerika und die Menschen singt, der sich treu bleibt. Der nicht mehr davonrennt. Nach „Springsteen: Deliver Me From Nowhere“ verstehen wir: Bruce Springsteen wäre nicht Bruce Springsteen ohne 1982.

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