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Ich habe keine Angst
Italien/ Spanien/ Großbritannien 2002, Laufzeit: 109 Min.
Regie: Gabriele Salvatores
Darsteller: Aitana Sanchez-Gijon, Dino Abbrescia, Giorgio Careccia, Giuseppe Cristiano, Mattia Di Pierro, Diego Abatantuono, Riccardo Zinna, Michele Vasca, Susy Sanchez, Antonella Stefanucci, Adriana Conserva, Fabio Tetta, Giulia Matturo, Stefano Biase, Fabio Antonacci

Ein italienischer Dorfjunge entdeckt einen Gleichaltrigen, der gegen Lösegeld entführt wurde. Während die zwei sich anfreunden, eskaliert die Situation am Dilettantismus der Kidnapper. Märchenhafter Thriller über den Reifeprozess eines Kindes 1978: Ein heißer Sommer im süditalienischen Aqua Traversa. Der achtjährige Michele wohnt mit seiner Familie im Niemandsland. Eine Siedlung, gleich einem verlassenen Geisterdorf, wären da nicht die goldenen Getreidefelder unter blauem Himmel, die die Isolation gelegentlich ins paradiesische erheben und den Kindern als Spielplatz dienen. Als Michele allein auf dem Grundstück eines verlassenen Gutshauses stöbert, entdeckt er unter Wellblech versteckt ein Erdloch, an dessen Grund unbewegt ein Menschenfuß aus einer Decke ragt. Die schockierende Entdeckung treibt den Jungen zuerst in die Flucht, lässt ihn gleichwohl wiederkehren und erkennen: Das abgedunkelte Loch ist das Gefängnis eines entführten, gleichaltrigen Jungen. Vorerst hütet Michele sein Geheimnis, und während er zufällig die Entführer des Sohnes eines Industriellen ausfindig macht, findet er in demJungen einen neuen FreundÖ Es klingt wie ein Abenteuerfilm nach Enid Blyton: Der kindliche Held entdeckt ein gleichaltriges Entführungsopfer, observiert - getarnt unterm Deckmantel seines jungen Alters - die Schurken und versucht, die Tat der Erwachsenen auf eigene Faust zu vereiteln. Doch Oscar-Preisträger Gabriele Salvatores ("Mediterraneo") entzieht der Geschichte die ungetrübte Leichtigkeit: Sein Held Michele ist allein, kann weder seinen fünf Freunden noch den eigenen Eltern trauen. Die Bedrohung ist unberechenbar: Die Erwachsenen handeln aus wirtschaftlicher Verzweiflung und dementsprechend unüberlegt, sind gefährlich im Affekt. Zunehmend erkennt Michele die Zusammenhänge. Salvatores begleitet ihn dabei, die Kamera auf Höhe der kindlichen Sicht. Während der entführte Junge ihn zum Schutzengel erhebt, beginnt Michele, Vertrauen, Mut und Verantwortung als Tugenden zu begreifen und die Welt der Erwachsenen zu durchschauen. Damit entwächst er schließlich ein Stück seiner Kindheit. Eine Fabel, die zunehmend ins Thrillergenre gleitet, aber atmosphärisch durchweg greift. Aus dem Abenteuerfilm ist so ein dunkles, poetisches Märchen für Erwachsene geworden.

(Hartmut Ernst)

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