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Close to You

Close to You
Kanada, Großbritannien 2023, Laufzeit: 100 Min., FSK 6
Regie: Dominic Savage
Darsteller: Elliot Page, Hillary Baack

Bewegendes Charakterdrama

Gemischte Gefühle
„Close to You“
von Dominic Savage

Irgendwann im Leben kommt zumeist der Zeitpunkt, an dem die erwachsen gewordenen Kinder das Elternhaus verlassen. Dieser Abnabelungsprozess gehört dazu, um zu sich selbst zu finden, ein eigenes Leben zu beginnen und eigenverantwortlich zu handeln. Im Normalfall können familiäre Bindungen dadurch wachsen und auf eine andere Ebene gelangen. Manchmal entstehen dabei allerdings auch größere Gräben, deren Ursprung dann nicht selten in einer auf die eine oder andere Weise verkorksten Kindheit zu suchen ist. Wenn sich Kinder im Elternhaus unverstanden gefühlt haben, was vermutlich besonders häufig bei homosexuellen oder trans* Kindern der Fall sein dürfte, markieren solche Abnabelungsprozesse mitunter den Beginn eines in der Tat völlig neuen Lebens. Elliot Page („The Umbrella Academy“) hat in den vergangenen Jahren selbst eine besondere, mutige Entwicklung durchschritten. Der preisgekrönte kanadische Schauspieler hat seine Transition öffentlich gemacht und dabei u.a. in seinen Memoiren „Pageboy“ nachgezeichnet. Sein neuester Film „Close to You“, der auch auf einer Idee von Page basiert, weist dabei einige Parallelen zu seinem eigenen Leben auf und ist sein erster Film, in dem er eine männliche Rolle bekleidet.

Schon seit mehreren Jahren hat Sam (Elliot Page) kaum mehr Kontakt zu seiner Familie. Anlässlich des Geburtstags seines Vaters Jim (Peter Outerbridge) überwindet sich der Transmann nun doch, die Heimreise nach Cobourg anzutreten. Bereits im Zug trifft er dabei auf seine alte Highschool-Freundin Katherine (Hillary Baack), die er ebenfalls seit rund 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Die Stimmung zwischen den beiden ist fragil, weil sie sich in ihren Teenagerjahren zueinander hingezogen fühlten. Auch in Sams Elternhaus dauert es nicht lange, bis die eingangs überaus freundliche Atmosphäre kippt. Hauptverantwortlicher dafür ist Sams Schwager Paul (David Reale), der einige überaus konservative Ansichten vertritt und Sams Veränderung mit beschämenden Äußerungen diskreditiert. Das trans*-Thema ist auch hierzulande noch ein heißes Eisen, das mit jeder Menge Ressentiments und falscher Ansichten rasch zum Streit führen kann. Anders als beim Thema Homosexualität gibt es hier offensichtlich noch weniger Menschen, die auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen können und deswegen verdammen, was sie nicht zu verstehen glauben. Dominic Savage (Fernsehserie „I Am…“ über die Erfahrungen von Frauen in persönlichen und emotionalen Momenten) hat gemeinsam mit Elliot Page eine ruhige, konzentrierte Geschichte entwickelt, die ganz offensichtlich von einigen persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen geprägt ist. Die Inszenierung bleibt über die gesamte Spielzeit sehr nah dran an der Erlebniswelt des jungen Transmannes, schildert nüchtern dessen Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen und weitet damit auch den Blickwinkel des Publikums. Es ist dabei durchaus legitim, dass es im Verlauf zunehmend emotional wird, da eine solch persönliche Thematik zweifellos mit vielen eigenen Gefühlen aufgeladen ist.

(Frank Brenner)

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