Baader
Deutschland 2001, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: Christopher Roth
Darsteller: Frank Giering, Laura Tonke, Vadim Glowna, Birge Schade, Jana Pallaske, Michael Sideris, Sebastian Weberstein, Hinnerk Schönemann
Andreas Baader , der meistgesuchte Terrorist Deutschlands, sitzt 1972 nachts im PKW neben dem Chef des Bundeskriminalamtes Kurt Krone. Man plaudert über Politik. Baader ist sehr angetan von Krones Nachtsuchgerät. Er fragt: "Kann ich das haben?". Man versteht, dass es Christopher Roth (Jahrgang 1964) in seiner Auseinandersetzung mit der dunkelsten Phase der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht unbedingt um Faktentreue geht. Eher kann man seinen Film lesen als eine heitere Fussnote zum “Terrorismus", als fröhliche Reintegration des Verdammten. Sympathienfreisetzung den “Monstern" gegenüber, zu denen sie von der Boulevardpresse einst gestanzt wurde, dies scheint man ihnen heute schuldig zu sein aus der Sicht der Nachgeneration. Publikum wie Kritik der diesjährigen Berlinale reagierten recht gespalten auf dieses Angebot. Heiterkeit war bereits das Losungswort der 2001 in Locarno präsentierte Auseinandersetzung mit dem Selbstmordpaar Petra Kelly und Gerd Bastian von Thomas Imbach (Jahrgang 1962). Dort allerdings wurde sie sogar bis ins Lächerliche getrieben. Roth präsentiert Baader als machohaften Jugendbandenführer, der lebensfroh die Keilerei sucht ("Gibt ihnen einen auf die Fresse", "Haut die Bullen weg"), als unreifes Raubein mit markigen Sprüchen, der etwa die liebtändelnden Annäherungsversuche Gudrun Ensslins mit dem Kommentar abkanzelt: "Sülze, Fotze, so wird nie was aus eurer Emanzipation", als Sergio Leone-Typ, der gelassen lachend dem Tod in die Augen schaut und sich mit freier Brust dem Schusshagel stellt (auch dies ist frei erfunden). Der Bundeskriminalamtchef dagegen wird zum Sympathisanten stilisiert, der die Ziele der "jungen Leute" versteht und lediglich ihren Mitteln nicht zuzustimmen vermag: "Der Dutschke hätte es schaffen können. Es war halt noch etwas zu früh". Doch Roth bring auch Erinnernswertes rüber, etwa dass zunächst 25% der Deutschen, immerhin 15 Millionen, mit diesen Rebellen gegen den sich verhärtenden Kapitalismus sympathisierten. Dies ändert sich abrupt erst mit dem ersten Polizistenmord und der strategischen Medienkampagne, die - nicht zuletzt vom Bundeskriminalamt empfohlen - Feindgefühle aktivierte. Seriös auch scheinen Szenen, wo Gruppenmitglieder aussteigen wollen und ihre Erschiessung als Verräter im harten Kern diskutiert wird. Roth schafft ein schillerndes Zwitterwesen zwischen Klamotte, Dokumentation und Dramaturgie, das unterschiedlichste Gefühlsregister aufruft. Ebenso unentschieden ist die Kameratechnik, die zwischen auskalkulierten 35mm Aufnahmen und verwischten Videokamerabildern pendelt. Roth will gleichzeitig mehrere Interessen und Sehweisen bedienen und scheitert an deren Unvereinbarkeit. In Erinnerung bleibt daher eher die schauspielerische Darstellung des Rüpels Baader durch Frank Gierig und seines verständnisvollen “Gegenspielers" (dies scheint hier der rechte Term) Krone durch Vadim Glowna. Und natürlich einige absurd schöne Bilder, wie unsere Terroristen beim Sonnenbaden mitten im jordanischen Guerillakrieg. Wegen Disziplinlosigkeit werden sie des Ausbildungscamps verwiesen und wieder nach Hause geschickt.
(Dieter Wieczorek)
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