Nur zwei Tage nach dem Erhalt höherer Weihen in der Bachstadt Leipzig gastiert der Kölner Dirigent und Kirchenmusiker Peter Neumann frisch ausgezeichnet mit der Bach-Medaille aus Meißner Porzellan beim Romanischen Sommer 2015. Bach-Kantaten stehen auf dem Programm, und so können sich die Chorfreunde direkt überzeugen, ob die Jury in Leipzig zu viel versprochen hat: „Neumann hat bewiesen, wie mit historisch reflektierter Stimmbehandlung vital musiziert werden kann: mit Esprit, Klangsinn und Klangschönheit – und stets gepaart mit einer besonderen Liebe zum musikalischen Detail.“ Gustav Leonhardt, Helmuth Rilling, Sir John Eliot Gardiner und Peter Schreier haben neben anderen diese Auszeichnung erhalten, es darf also – in Verlängerung des Mai-Themas – als Glücksfall bezeichnet werden.
Damit passt diese frisch dekorierte Konstante der Kölner Szene auch zum Leitmotiv der 27. Ausgabe des Romanischen Sommers: „Glück“ von Renaissance bis Avantgarde bilden insgesamt 8 Konzerte ab, und eröffnet wird das Ganze mit dem reinsten Glück, der kindlichen Stimme. Der Mädchenchor vom Kölner Dom trägt in St. Kunibert, der jüngsten der romanischen Kirchen, relativ neue Musik des 20. bzw. 21. Jahrhunderts vor, die biblische Lyrik in moderne Ausdruckswelten überführt. Auch im zweiten Konzert des Eröffnungstages in der einmaligen Atmosphäre des Museum Schnütgen lädt Germán Díaz, der „Jimi Hendrix der Drehleier“, zu Improvisationen und Songs zu „Herzschlägen“ ein, deren Puls in den 30ern auf Schellackplatten konserviert wurde – das klingt ganz schön abgefahren. Díaz spielt mit Kollegen an Tuba und Englischhorn; das macht die Sache nicht leichter.
Vertrauter klingt an Tag zwei des Festivals in St. Ursula das Gospelkonzert mit der amerikanisch-österreichischen Sängerin Carole Alston mit Kum Ba Ja-Segen. Der WDR-Chor vertieft anschließend in St. Pantaleon kontemplatives Erweckungsglück in Musik von Bach bis Pärt. Mit Sphärenklängen eröffnet die folgende Romanische Nacht in St. Maria im Kapitol, das Ensemble Supersonus steigt in die höchsten Lagen von Cembalo, Nyckelharpa, Maultrommel, Guzheng und Obertongesang – alles Gute soll ja von oben kommen. Anschließend erklingen als Herzstück des langen Abends Kölner Kammerchor und Collegium Cartusianum, die Ensembles von Peter Neumann, die sich in vier Bach-Kantaten verschiedenen Aspekten der barocken Vorstellungswelt vom spirituellen Glück zuwenden. Mit nagelneuen Auftragswerken junger Komponisten nähert sich die Mitternacht, und der „Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi“, ein Klassiker der prominenten Tonsetzerin Sofia Gubaidulina, erklingt zum Abschluss mit dem ChorWerk Ruhr und der Cellistin Tanja Tetzlaff. Sie darf als „nonverbales Sprachrohr“ die Kluft zwischen Mensch (Choristen) und Gott überwinden. Das klingt doch fantastisch.
Romanischer Sommer 2015 | Mi 17.6. - Fr 19.6. | www.romanischer-sommer.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Akustische Wunderkammern
Romanischer Sommer in Kölner Kirchen – Klassik am Rhein 06/23
Musik durch alle Jahrhunderte
33. Romanischer Sommer zum Thema „Schwingen“ – Festival 06/22
Der Sommer wird romanisch
In Kölns berühmten Kirchen steht die Zeit still – Klassik am Rhein 06/18
Frage, Geheimnis, Fragment
Auftakt zum Romanischen Sommer 2012
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24
Ungewünscht brandaktuell
Auftakt zum Klangvokal Festival Dortmund 2024 – Klassik an der Ruhr 05/24
Wiederentdeckt
Werke von Amerikas erster schwarzer Klassikerin in Essen – Klassik an der Ruhr 04/24
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Blickwechsel in der Musikgeschichte
Drei Spezialisten der Alten Musik in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/24
Spiel mit den Elementen
Alexej Gerassimez & Friends im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 03/24
Temperamentvoller Sonntag
Bosy Matinée mit Asya Fateyeva und Gemma New in Bochum – Klassik an der Ruhr 02/24
Hellwaches Monheim
Das Rheinstädtchen punktet mit aktueller Kultur – Klassik am Rhein 02/24
Abenteuerliche Installation
„Die Soldaten“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 01/24
Keine Grenzen
Philharmonix in Dortmund und Düsseldorf – Klassik an der Ruhr 01/24
„Herrliche Resonantz“
Avi Avital in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/23