Bisher folgte der beginnende Sommer in Kölns Kulturlandschaft dem wendigen Wetter: Warme Biergartenidylle wich Regengüssen und Sturmerscheinungen wie dem Tornado bei Viersen. Tornado-ähnliche Unruhe brachte die Nachricht von unerwarteten Spannungen beim Führungsstab der Kölner Oper. Sprach Generalmusikdirektor und Gürzenich-Kapellmeister Francois-Xavier Roth vor zwei Jahren noch seine Empfehlung für die Vertragsverlängerung der Opernintendantin Birgit Meyer aus, macht er jetzt seine Vertragsverlängerung vom Abdanken der Bühnenchefin abhängig. Dabei haben die beiden gerade die Mega-Aufführung der Zimmermann-Oper „Die Soldaten“ in einem wirklich spektakulären und nur im Interimslager des Staatenhauses realisierbaren Bühnenbild gestemmt – der Abend war mindestens ein interessantes Erlebnis.
Auch beim WDR stand plötzlich und unerwartet ein neuer Chefdirigent auf dem Podest, für einen Chef recht jung, die tiefschwarzen Haare nach hinten gegelt. Und es ging nicht um das Funkhausorchester, sondern um die Nachfolge für Jukka-Pekka Saraste. Der Mann regierte so freundlich und unauffällig, dass selbst sein angekündigter Abschied nicht wirklich auffiel. Und darum ging es bei der Neubesetzung – mit dem 38-jährigen Cristian Măcelaru wurde ein noch frischer Shootingstar der Dirigierszene angeworben, der auf die digitale Transformation, so Hörfunkdirektorin Valerie Weber, perfekt vorbereitet sei, weil er „digital auf der Höhe“ und damit bereit für „das Kerngeschäft des kommenden Jahrzehnts“ sei: die Musikvermittlung! Der Mann aus Pennsylvania mit transylvanischen Wurzeln erhielt als Begrüßungs-Präsente neben Elefant und Maus für seine zwei Kinder auch einen Sprachkurs.
Das „breite Publikum“, die Quotenbringer, lässt sich bereits seit dreißig Jahren durch den Romanischen Sommer erfreuen, setzt das kleine Festival doch auf stets erfolgreiche zwei Komponenten in der Domstadt: anspruchsvolle Klänge im sakralen Raum. So wie die bestbesuchten Orgelfeierstunden im Dom lieben die Kölner Bürger ihren einzigartigen Reichtum der zwölf romanischen Kirchen. In diesem Festjahr zum runden Geburtstag wurde auf jeden Kirchenbau eine Musik maßgeschneidert. Als Motto dient der kurze Imperativ „Singet!“
Damit die Besucher das nicht selbst erledigen müssen, wurden international renommierte Künstler angeheuert, meist Vokalensembles und Stimm-Akrobaten. So eröffnen ehemalige Thomaner aus Leipzig jetzt in St. Ursula mit dem Klangkörper ensemble amarcord den Konzertreigen mit Renaissance-Musik aus der Zeit, als St. Ursula die berühmte „Goldene Kammer“ gestiftet bekam. Es folgen verschiedene Klanginstallationen und auch ein Ausflug in brandneue Musik von Jay Schwartz, das Asasello Quartett wird dessen Streichquartett erstmals in Europa spielen. Es gibt buddhistische, aramäische, assyrische und arabische Gesänge und Musiken u.a. mit dem NourozEnsemble, mittelalterliche Klänge und sogar Jazz. Nicht verpassen sollten die Musikfreunde die Romanische Nacht in der wunderbaren Konzertkirche St. Maria im Kapitol, wo zwischen den einzelnen Darbietungen im Kreuzgang flaniert und zum Abschluss sogar diniert werden darf.
Romanischer Sommer | 3. - 8.6. | Köln | www.romanischer-sommer.de
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