Eine Nacht, 70 Interpreten, 18 Spielorte: Die Kölner Musiknacht hat sich, seit ihrer Entstehung 2005, zu einer Institution in der lokalen, aber auch internationalen Weltmusikszene gemausert. Verschiedenste Nationen treffen auf ein reichhaltiges Angebot an Musikrichtungen und Interpreten, wobei der Mainstream stets außen vor bleibt. Von diesem Grundkonzept sind auch die mitwirkenden Interpreten begeistert. Die Band Schlagsaite sagt, sie finde vor allem den Mix aus lokaler Popmusik, experimentellen Klängen und avantgarden Formen interessant, und denkt, dass es gerade für den Zuhörer spannend sei, auch mal ein anderes Genre zu erkunden. Doch über die Jahre hat sich der Altersspiegel des Musiknacht-Publikums im oberen Drittel angesiedelt. Um das zu ändern und auch jüngere Leute in die spannenden Locations zu locken, wollen die Veranstalter jedes Jahr eine Initiative der Kölner Musikszene in den Fokus stellen – in diesem Jahr das Edelweißpiratenfestival.
Ihm – und somit auch der Kölner Band Schlagsaite – gehörten am Samstag die beeindruckenden Hallen des Rautenstrauch-Joest-Museums. Schlagsaite sind zum einen Mitveranstalter des Festivals, doch vielmehr präsentieren sie sich als aufregendes Chanson-Quintett, bestehend aus Kontrabass, Akkordeon, Violine, Gitarre und Schlagzeug. Folk-Rock trifft auf klassische Musik aus Frankreich und paart sich mit tanzbaren Polka-Beats und gefühlsgeladenen Singer/Songwriter-Texten. Laut eigener Aussage sieht die Band ihre Wurzeln in der deutschen Liedermachertradition, aber auch in der französischen und osteuropäischen Musik und sucht sich ihre Inspiration aus der musikalischen Vielfalt der ganzen Welt. Eine verrückte Mischung, die in das Konzept der Musiknacht passt.
Pünktlich zur Primetime ziehen die Besucher vorbei an der kleinen Ausstellung des Edelweißpiratenfestivals in den bestuhlten Saal. Getränke sind verboten, gute Laune erwünscht. Ein erstes Umschauen bestätigt: Unter die höheren Semester haben sich auch vermehrt junge Menschen gemischt. Die Reihen sind sogar zu gut gefüllt, sodass zusätzliche Stühle besorgt werden und der Rest mit der Wand vorliebnehmen muss. Doch bevor die schon bereitgestellten Instrumente besetzt werden können, äußert sich Jan Krauthäuser, Mitinitiator des Edelweißpiratenfestivals und Planungsmitglied der Kölner Musiknacht, erfreut über den zahlreichen Andrang und läutet damit das Edelweißpiraten-Spezial ein.
Der langanhaltende Applaus verkürzt den Szenenwechsel und schon erklingen die ersten Töne. Ungewohnt langsam beginnt die Band mit dem Song „Für die Liedersänger“ aus ihrem aktuellen und dritten Album „Handgepäck“. Die taktgebenden Polka-Beats bleiben aus, alles summt in seichter Manier. Das Violinenspiel wiegt das Pärchen in Reihe fünf sanft von der einen zur anderen Seite; in den Gesichtern zeichnet sich ein Lächeln ab. Mehr Singer/Songwriter-Attitüde geht nicht. Dass die Band ein breitgefächertes Musikspektrum in sich vereint, zeigt sie mit ihrem zweiten Lied „Keinen Schritt“. Das Schwingen des Akkordeons und der Violine wird schneller, der Fuß wippt im Takt, und wer nicht mitklatscht, ist selber schuld. Nur ungern halten sich die Leute auf ihren Sitzen.
Der Wechsel zwischen ruhigen und rasanten Liedern begleitet das restliche, 45 Minuten lange Set. Die Zeit ist vorgeschrieben, die gute Laune des Publikums aber kommt bei der Musik von ganz alleine. Ganz natürlich spielt der Sänger Daniel Hermes mit der Stimmung, animiert, begeistert, regt zum Mitklatschen an und bedankt sich bei seinem Kollegen Jan Krauthäuser. Das Gefühl für die richtige Stimmung färbt auch auf die Songs ab. Passend zum Text unterstreicht jede Melodie ein Gefühl. Ob der traurig klingende Liebeskummer im erahnenden Moll-Akkord bei „Wenn du schläfst“ oder das fröhlich-schnelle „Ich bin verliebt in Du“. Jedes Lied lässt die knapp 300 Herzen mitfühlen und beschwingt durch den Nieselregen nach Hause fahren.
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