Krieg und Zerstörung ziehen sich durch die Menschheitsgeschichte. Und immer wieder versuchen Visionäre, den drohenden Untergangsszenarien das Ideal einer friedfertigen Welt, einer harmonischen Schöpfung entgegen zu setzen. „Alle Menschen werden Brüder“ heißt es etwa in Schillers Ode an die Freude, die Beethoven im letzten Satz seiner neunten Symphonie als Appell an die Menschheit vertonte.
Stockhausen sieht in der Rückbesinnung des Menschen auf Gott die Möglichkeit für eine bessere Welt. Die entscheidende Anregung fand der Komponist in dem Urantia- Buch, das 1955 in Amerika erschien. In ihm geht es um die Erweiterung des kosmischen Bewusstseins des Menschen, seinen Platz in der Schöpfung und sein Verhältnis zu Gott. Am Ende besiegt die göttliche Kraft die zerstörerische: Die Lichtgestalt Michael überwindet Luzifer und übernimmt die höchste Macht im Universum. Stockhausens Anspruch mit seinem opus maximum ist total: Es will nichts weniger, als den Menschen zur Liebe erlösen, das Göttliche erfahrbar machen, Hoffnung geben – Musiktheater als spirituelle Vision, den Menschen in die Harmonie des Kosmos einzubinden. „Situation – Gottes Theater“, skizzierte Karl-Heinz Stockhausen die Grundidee seines Lichtzyklus in einer Notiz vom März 1977, den er 26 Jahre später, im Jahr 2003, vollendete.
Das Werk sprengt in jeder Hinsicht die bisherigen Dimensionen der Oper. Während Wagner in vier Teilen und 16 Stunden Musik die Menschheit mit ihrem Untergang konfrontiert, entwirft Stockhausen in sieben Teilen und 29 Stunden Musik ein theatralisches Erlösungsund Schöpfungsritual. Jeder der sieben Teile ist nach einem Wochentag benannt, der mit einem zentralen Thema menschlicher Existenz verknüpft wird. Der gesamte Zyklus zielt auf den Sonntag, den Tag des Lichts, der Gott gewidmet ist und in dem das Göttliche gegenwärtig ist. Hier werden die „Hoch-Zeiten“ der Liebe als Ausdruck des Göttlichen gefeiert. Stockhausens Partitur beschränkt sich nicht auf musikalische Abläufe, sondern komponiert das gesamte Geschehen auf der Bühne durch. Bewegung und Gestik der Interpreten sind ebenso festgelegt wie die visuelle Erscheinungsform des Ganzen: Jedem Wochentag ist eine Farbe, ein Element und ein Sinn zugeordnet: dem Montag das Wasser, das Grün und das Riechen – Symbole für Geburt und Leben, dem Sonntag das Licht, das Gold und die Intuition – Symbole für Gott. Jedem der drei Hauptfiguren Michael, Eva und Luzifer ist ein musikalisches Motiv zugeordnet. Die Übereinanderschichtung ihrer Motive ergibt die „Superformel“, wie Stockhausen sie nannte, die aus 53 Tönen besteht. Sie stellt die Substanz des Werkes dar, bestimmt dessen Mikro- und Makrostruktur und zieht sich als Leitmotiv durch den gesamten Zyklus. Der Einsatz von Synthesizer und achtkanaliger Elektronik eröffnet einen genuinen Klangkosmos - zeitgenössische Sphärenmusik mit „unerhörten“, akustischen Eindrücken, jenseits des herkömmlichen Orchesterklanges.
Ob sich die mystische Gotteserfahrung tatsächlich einstellt, mag jedem Zuschauer selbst überlassen bleiben, aber die Inszenierung von Carlus Padrissa (La Fura dels Baus), die die Kölner Oper aus Paris übernimmt, verspricht nicht zuletzt wegen des architektonisch spannenden Aufführungsortes im Stapelhaus ein multimediales Theaterereignis zu werden.
„Sonntag aus Licht“ von Karlheinz Stockhausen I R: Carlus Padrissa
Sa 9.4. 19.30 Uhr (I) (P), So 10.4. 19.30 Uhr (II), Mi 20.4. 19.30 Uhr (I), Do 21.4. 19.30 (II), So 24.4. 12 Uhr (I+II), Di. 26.4. 19.30 (I), Mi 27.4. 19.30 Uhr (II), Do 28.4. 19.30 (I), Fr 29.4. 19.30 Uhr (I) Staatenhaus am Rheinpark I 0221 22 12 84 00
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