Es muss ja nicht alles so heiß gegessen werden wie es gekocht wird. Seit Monaten diskutiert die deutsche Jazz-Szene über die Rahmenbedingungen für MusikerInnen in hiesigen Landen. Auslöser war ein Zeitungsinterview des Saxophonisten Michael Hornstein in der Süddeutschen. Dies ist nun aber fast vier Monate her, die Wogen sind geglättet, aber noch lange nicht geklärt.
Forderungen wie von Reiner Michalke, dem Künstle- rischen Leiter des Moers Festivals, Jazz als kulturelles Erbe aufzufassen und dementsprechend mit Subventionen zu fördern, bleiben weiterhin im Raum stehen und erfordern Lösungsansätze von kulturpolitischer Seite. Zumindest wird nun aber lebhaft über die Probleme im Jazz diskutiert – und dies kann für das eigene Image nur erfrischend sein.
In den Dornröschenschlaf vom selbstlaufenden Kulturfestival durfte man in Moers ohnehin nie verfallen. Die Finanzierungsfrage hat inzwischen fast schon rituellen Charakter. Vor diesem Hintergrund wirkt das 41. Moerser Programm nicht nur für Jazz-Fans als Wundergeburt.Dies kann man in Duisburg vom Traumzeitfestival leider nicht mehr behaupten. Nachdem der Hauptsponsor RWE sein Engagement nach Vertragsende nicht verlängern wollte, stand Tim Isfort, Künstlerischer Leiter in Duisburg, mit seinem einzigartigen Projekt „Myanmar meets Europe“ vor einem lückenhaften Spielplan für die Saison 2012. Nun intoniert er mit seiner neunköpfigen Band den Grenzgang zwischen Birma und Europa am Pfingstsonntag (27.5.) in Moers. Noch vor Tim Isforts Projekt stand die kalifornische Jazz-Legende Carla Bley als Gast in Moers fest. Gleich zweimal wird die Frau mit der Lego-Frisur die Bühne betreten. Am Freitag mit ihrem Lebensgefährten Steve Swallow am Bass und Andy Shappard am Saxophon.
Der epochale Part folgt am Sonntagabend, mit dem eigens für das Moerser Festival komponierten Stück „La leçon française“. Hat die oft bluesbeschwingt und sensibel spielende Bley schon mit „Escalator over the Hill“ eine erste und bisher unerreichte Jazz-Oper komponiert und aufgenommen, monumentalisiert sie in Moers mit der schwedischen Bohulän Big Band und dem Knabenchor Dortmund einmal mehr ihre Karriere. „Rocket Science“ ist die neue Formation des Amerikaners Peter Evans. Dessen abwechslungsreiche Tempi und hysterischen Power Plays treffen auf die Sound-Guerilla von Evan Parker. Parker ist nicht nur Pionier darin, mehrere Phrasen als Mehrklänge gleichzeitig spielen zu können. Er setzt seit den 1990er Jahren Computergestützte Klangverzerrungen in sein Spiel ein. Prädikat: Hörtest.
Aber neben Peter Evans wird die große Jazz- Metropole am Hudson River auch noch von Andrew D’Angelo und seiner Big Band vertreten. D’Angelo steht dem expressiven Stil von Peter Evans in nichts nach und sorgt dafür, dass wohl alle Freunde der Bläsermusik auf ihre Kosten kommen. Dabei sind seine Arrangements mehr als Solistenbegleitungen. Seine Big Band wandelt sich permanent von der dringenden Störquelle zur Begleitkapelle mit Zügen einer groovenden Marching Band.Im zweiten Anlauf sollte auch der Premiere von „Helges Heimatabend“ an Pfingstmontag nichts mehr im Weg stehen. Multitalent Helge Schneider löst die Jazz-Debatte auf seine Weise und bringt ein paar Nachwuchsmusiker aus dem Ruhrgebiet mit.
Gefördert vom 41. Moers Festival I 25.-28.5. I 0180 504 03 00
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