Die poppig rote „Valentine“ war meine erste eigene Schreibmaschine, und es wurde ein Design-Ikone, die heute auch im MoMa in New York steht. Aber das konnte ich 1969 noch nicht wissen. Damals arbeitete der italienische Designer Ettore Sottsass (1917-2007) für den Konzern Olivetti. Er gründete als Architekt bereits nach dem Zweiten Weltkrieg ein eigenes Studio in Mailand, und da es für ihn zwischen Architektur, Design und Kunst keine Grenzen gab, hat er in allen Genres seine Arbeiten zur Entwicklung der sogenannten Postmoderne abgeliefert. Hauptfeld blieb über die Jahre die Keramik. Fast wären es tausend Entwürfe geworden.
Das Hetjens-Museum in Düsseldorf zeigt mit „Auch der Turm von Babel war aus gebrannter Erde“ nun erstmals eine große Schau des keramischen Schaffens des Italieners, eine repräsentative Auswahl von 120 Arbeiten aus der Zeit zwischen 1955 und 2003, dazu fast zwangsläufig Entwurfszeichnungen und Fotografien. Die didaktisch sehr schön aufgearbeitete und mit Handzetteln an den Wänden begleitete Ausstellung wirkt auf den ersten Blick nüchtern, aber nur auf den ersten Blick. Die Keramiken enthüllen ihr zweites Gesicht erst durch die nähere Betrachtung. Eine Ausnahme bildet da der gelb glasierte „Grande Altar“, der 1969 für die Ausstellung „Miljö för En Ny Planet“ im Nationalmuseum Stockholm entworfen wurde, und der eigentlich nicht so harmlos gemeint ist, wie er da aus zahlreichen Einzelteilen auf seinem drei Meter Durchmesser großen Platz aufgebaut ist.
Formal inspiriert von Stupas im Fernen Indien, soll er „für ein kosmisches Opfer menschlichen Blutes“ (Beischrift Sottsass) herhalten. Ein anderer „Altar“ in Knallrot ist im Pariser Centre Pompidou zu sehen. Die auf Reisen gewonnenen Eindrücke spielten für Sottsass immer eine große Rolle. Die Fragen nach der Krise der Objekte selbst, die seine Plastiken jenseits der Gebrauchskeramik thematisierten, fanden unter dem Einfluss fremder Kulturen oft ungewöhnliche Antworten.
Für Sottsass war Ton die formbare Urmaterie, mit der er auch Keramiken der Finsternis schuf, zylindrische Arbeiten, die zeigen sollen, dass er die Mechanismen dieser Lichtlosigkeit kannte und selbst bei einer lebensbedrohenden Krankheit erfahren hatte. Auch Hunderte von Tellern, die er in den 1960ern der indischen Gottheit Shiva widmete, resultieren wahrscheinlich daraus und aus seinen zahlreichen Reisen nach Indien. In den 1970er Jahren zählte er zu den Künstlern der Radical-Design-Bewegung (Studio Alchimia).
Um wieder mit freierer Kreativität arbeiten zu können, gründet Ettore Sottsass mit Michele De Lucchi, Marco Zannini, Barbara Radice, Aldo Cibic und Matteo Thun die Gruppe Memphis. Ende 1981 wird ihre erste Ausstellung in der Mailänder Galerie Arc '74 eröffnet. Zu sehen war eine neue Design-Ästhetik, die weder funktionalen oder gar ergonomischen Gesichtspunkten folgte, allerdings einen Umsturz des Alltagsdesigns hervorrief. Aus dieser Serie ist in Düsseldorf weißes, zusammengestapeltes Geschirr zu sehen, dessen Gebrauchslosigkeit skulpturale Züge trägt.
„Ettore Sottsass“ I bis 26.2. I Hetjens-Museum Düsseldorf I 0211 899 42 10
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