Die Bundeskunsthalle in Bonn hat sich in einen Tempel der Malerei der 1980er Jahre verwandelt. Die Ausstellung „Ménage à trois“ dürfte die wichtigste Kunstschau sein, die Nordrhein-Westfalen im Moment zu bieten hat. Das Problem: Die sensationelle Zusammenstellung von Arbeiten der Künstler Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat und Francesco Clemente ist endlich. Ende Mai werden die rund 175 Werke wieder in Depots, Privathäusern und Galerien verschwinden, wehe dem, der sie bis dahin nicht gesehen hat.
Drei Temperamente, drei künstlerische Positionen, drei Generationen und alles auf einer Leinwand. Natürlich wird jeder der drei Künstler in je zwei Räumen mit seinem eigenen für ihn typischen Werk vorgestellt, dazwischen huscht immer auch eine Arbeit der Kollegen, die Stars sind aber die Bilder, an denen sie gemeinsam gearbeitet haben, nicht gleichzeitig, sondern nacheinander, auch ein Ritual des Transports, des Transports von Ideen und Verfeinerung, eine Arbeit geformt aus Enthusiasmus, Respekt und Differenzierung.
Der Kraftakt der Kuratoren, immerhin acht der insgesamt 15 malerischen Kollaborationen zwischen den drei Künstlern ins Rheinland zu bugsieren, die damals zu den einflussreichsten Köpfen der kreativen New Yorker Kunstszene zählten, wird mit einem visuellen Feuerwerk belohnt, von dem eine ungeheure Kraft ausgeht. So sieht es jedenfalls auch Robert Fleck, Chef der Kunsthalle bei der Eröffnung, zu der auch der in Neapel geborene Clemente, der als einziger der drei Künstler noch lebt, nach Bonn gereist ist.
Die Idee zu den „Collaborations“ hat der Züricher Galerist Bruno Bischofsberger 1983, der damit auch seinem Künstler Warhol eine Verjüngungskur verordnete, die der zu der Zeit merkwürdigerweise dringend nötig hatte. Jeder der drei startete mit vier Gemälden und einer Zeichnung. Dann gingen die Bilder reihum und jeder reagierte darauf. Warhol produzierte seine Siebdrucke, Basquiat ergänzte oder übermalte sie mit seiner dynamischen Malerei. Clemente veredelte sie mit seinen stillen, traumhaft surrealen Elementen. Er war damals 31Jahre alt und eines der Aushängeschilder der postmodernen Transavantguardia, wie Warhol auch bei Bischofsberger vertreten. Der war damals bereits 55 Jahre alt und eine Ikone der New Yorker Subkultur. Einzig der junge Basquiat stand medial noch etwas in den Startlöchern, wurde aber bereits als kommender Superstar gehandelt, tauchte auch bei der denkwürdigen Maler-documenta 7 von Rudi Fuchs in Kassel auf.
Die Zusammenarbeit blieb nicht ohne Spuren im Werk der anderen. Ganz besonders deutlich ist das in den 23 Gemeinschaftswerken Warhols und Basquiats zu sehen. Nach mehr als 20 Jahren beginnt Warhol wieder zu malen und Basquiat, den Schrift auf seinen Bildern immer schon begleitete, begann mit dem Siebdruck, offensichtlich inspiriert von Warhols Einfluss. Und so kann man glücklich auf Spurensuche gehen – beispielsweise bei „Alba‘s Breakfast“ von 1984 –, wer von den dreien wohl welche malerischen Elemente in den „Collaborations“ beigesteuert hat.
„Ménage à trois“ I bis 20. Mai I Bundeskunsthalle Bonn
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