Das Theater Tiefrot nimmt seine Tradition des Sommertheaters im Garten des Hotel Antonius, vormals Hotel Hopper, wieder auf. Regisseur und Theaterleiter Volker Lippmann hat sich diesmal für Carl Zuckmayers Komödie „Der fröhliche Weinberg“ entschieden. Nach dem „Hauptmann von Köpenick“ nun also ein weiteres Stück dieses einstmals höchst erfolgreichen, inzwischen selten gespielten Autors.
Der „fröhliche Weinberg“ ist ein frühes Beispiel aus dem Genre des derb-kritischen Volkstheaters und sorgte nach seiner Uraufführung für immerhin 63 Skandale in kurzer Folge – was nur ganz wenigen Stücken gelungen ist. Als Zuckmayers Posse 1925 in Berlin und Frankfurt seine ersten Aufführungen erlebte, brüllte das Publikum vor Lachen. Doch als es danach auf Tournee durch die Provinz ging, wurden Proteste angezettelt, wurde wild herumgepöbelt und immer wieder der Abbruch der Aufführungen provoziert. Was in der Großstadt als Kleinstadt-Bashing noch durchging, wurde dort als schiere Provokation empfunden.
Zuckmayer hat den Plot seines „Fröhlichen Weinbergs“ in seiner rheinhessischen Heimat angesiedelt: Ein Weinhändler, dessen Ehefrau unfruchtbar war, hat eine uneheliche Tochter. Um ihr das gleiche Schicksal zu ersparen, soll sein zukünftiger Schwiegersohn noch vor der Hochzeit seine Zeugungsfähigkeit beweisen, vulgo: die Tochter schwängern. Im Sinn hat er dafür einen hochnäsigen Assessor. Die Tochter will aber lieber einen verarmten Schiffer heiraten. So weit, so simpel und schräg. Doch dieser „Weinberg“ hat auch eine ruppige Seite: Es wird gesoffen, es wird nazistisch gepöbelt, es regnet Prügel und zum Sex geht es hinter die Ligusterhecke. Zuckmayer tritt so ziemlich allen vors Schienbein: Gastwirten, Bauern, Veteranen, Nazis, Corps-Studenten – aber auch jüdischen Weinhändlern. Zuckmayers Mutter war Jüdin und sein Vater produzierte Kapseln für Weinflaschen.
Der Plot mag simpel und hausbacken sein, das Stück hat aber neben seiner derben Komik auch einen ziemlich bösartigen Humor, der einem mitunter im Hals steckenbleiben kann. Es ist also wie gemacht für unterhaltsames Open-Air-Theater – zumal in einer Stadt wie Köln, die das Saufen sowieso längst zum Brauchtum erklärt hat.
Der fröhliche Weinberg | R: Volker Lippmann | 18. (P), 19., 21., 26., 28.8., 1., 2., 3., 4.9. | Theater Tiefrot | 0221 460 09 11
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Kurzer Prozess
Zuckmayers Drama am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 05/22
„Wir machen weiter!“
20 Jahre Theater Tiefrot – Prolog 04/22
Wolken sind aus <s>Poesie</s> Angst gemacht
„Störfall“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 01/22
„Ich weiß nicht, wie oft wir schon totgesagt wurden“
Volker Lippmann über „Der eingebildete Kranke“ – Interview 07/21
„Eine Frau mit bemerkenswerten Ansichten“
Juliane Ledwoch über „Frida Kahlo – Erinnerung an eine offene Wunde“ – Premiere 01/20
Aufgewirbelter Staub und zahlreiche Fragen
„Die vergessene Revolution“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/18
Dreigroschen-Vampire auf Urlaub
„Die Dreigroschenoper“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 08/18
Bessere Welt?
Theater im September im Rheinland – Prolog 08/18
Madame la Mort
„Die Geschichte von den Pandabären“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 07/18
Die Sonne scheint nur
Sommertheater in Köln – Prolog 06/18
Höckes Mythos
„Inside AfD“ mit dem Nö-Theater – Theater am Rhein 12/17
Lachen, raufen, trauern
„Romeo & Julia“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 05/17
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24