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Martin Roelly, Sobo Swobodnik und Erik Winker vor dem Odeon-Kino

Den Absprung ermöglichen

04. Mai 2018

„Therapie für Gangster“ im Odeon – Foyer 05/18

Donnerstag, 3. Mai: Für seine neue Dokumentation „Therapie für Gangster – Suchtkranke Straftäter in der Forensik“ hat sich Regisseur Sobo Swobodnik eines weitgehend unbeachteten Themas angenommen. Sein Film beschäftigt sich mit den Versuchen, suchtkranken Straftätern therapeutische Hilfe anzubieten, um diese von ihren Abhängigkeiten zu heilen und dadurch nach ihrer Haftentlassung auch vor Rückfällen in die Kriminalität besser zu wappnen. Erik Winker, neben Martin Roelly einer der beiden Kölner Produzenten des Films, erläuterte bei der Premiere im Odeon-Kino, dass sie drei oder vier Jahre nach einer Klinik gesucht hätten, in der sie drehen konnten. Das Niederrhein Therapiezentrum in Duisburg erklärte sich schließlich dazu bereit, und durch die frühe Hilfe der Film- und Medienstiftung NRW, die laut Winker als erster Förderer schon mit an Bord war, als noch gar nicht klar war, wie das Projekt zu realisieren sei, konnten dort schließlich die vierwöchigen Dreharbeiten stattfinden. Dafür ließen sich Sobo Swobodnik und sein kleines Filmteam während der kompletten Zeit mit in das Therapiezentrum einschließen und konnten auf diese Weise die Lebensrealität der suchtkranken Straftäter aus erster Hand nachvollziehen.

Erik Winker mit Moderatorin Karin Knöbelspies

Beim anschließenden Filmgespräch im Kino erläuterte Swobodnik, dass er zunächst skeptisch gegenüber dem so genannten Maßregelvollzug eingestellt gewesen sei, mittlerweile aber zu einem großen Fan geworden wäre. „Für Suchtkranke ist das eine echte Alternative zur Justizvollzugsanstalt, wo sie in der Regel mit ihren Problemen allein gelassen werden. Mich hat vor allem beeindruckt, wie hart und reflektorisch, wie ernsthaft im Therapiezentrum an den Problemen gearbeitet wird“, so der Regisseur. Sascha, einer der Protagonisten des Films, der ebenfalls zur Premiere gekommen war, unterstrich diese Einschätzung: „Von alleine schafft man den Absprung nicht. Außerdem hätte ich damals ohne meine Alkohol- und Heroinabhängigkeit auch kein solch schweres Verbrechen begangen.“ Dieses Problem deckt sich mit den statistischen Erkenntnissen von Reinhard Jahn, dem Bundesgeschäftsführer der Suchtselbsthilfeorganisation „Blaues Kreuz“, der als Experte am Filmgespräch teilnahm. „Rund die Hälfte der Straftäter ist süchtig und trotzdem im normalen Strafvollzug. Die Hauptaufgabe der JVAs besteht allerdings darin, die Gesellschaft vor Straftätern zu schützen, die Resozialisierung der Täter ist hier eher zweitrangig“, erklärte Jahn. Das „Blaue Kreuz“ versucht, dem entgegenzuwirken, indem es beispielsweise in Brandenburg Nachsorgeeinrichtungen geschaffen hat, in denen den Straftätern nach ihrer Haftentlassung geholfen wird, neue Kontakte aufzubauen sowie eine Wohnung und ein Praktikum zu finden.

Dr. Dita Zimprichová und Reinhard Jahn

Dr. Dita Zimprichová ermöglichte Sobo Swobodnik die Dreharbeiten im Niederrhein Therapiezentrum und resümierte beim Filmgespräch: „Unsere Patienten sind im Schnitt 35 Jahre alt und haben eine bis zu fünfzehnjährige Drogenkarriere hinter sich. Viele waren bereits bis zu 10 Jahre ihres Lebens in Haft. Da ist es schwierig, innerhalb weniger Monate Therapie delikt- und drogenfreie Patienten zu produzieren.“ Gleichwohl ist sie dankbar, dass durch den Film ein Fokus auf den Maßregelvollzug gelegt wurde und die Therapieformen dadurch bekannter werden. Zu Beginn hätte es viel Angst und auch Paranoia gegeben, weil man mit den Dreharbeiten in eine geschlossene Parallelwelt eintauchen musste. Deren strenge Regeln hätten den Beginn des Filmens eher für die Besucher als für die Mitarbeiter anstrengend gemacht. Zimprichová konnte nachvollziehen, dass es dem Filmteam schwergefallen sein müsse, eine Brücke zu den Patienten und zu den Mitarbeitern zu bauen. Letztendlich habe sie sich aber sehr gefreut, dass dieser Einsatz möglich gewesen wäre und in „Therapie für Gangster“ am Ende das beidseitige Ringen der Forensiker und der Patienten deutlich geworden sei. Sobo Swobodnik ergänzte, dass die Drogenpolitik in Deutschland überdacht werden müsse. „Man muss Sucht endlich als Krankheit begreifen und Substitute für Drogen verabreichen, wann immer das möglich ist.“ Nur so könne der Teufelskreis aus Abhängigkeit und Kriminalität durchbrochen und den Straftätern ein echter Neuanfang ermöglicht werden.

Die Patienten Sascha und Dennis beim Publikumsgespräch
Text/Fotos: Frank Brenner

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