Das langerwartete zweite Album der Battles beginnt mit dramatisch dräuenden Sounds, erdet sich dann aber vor allem durch die vielen ungewöhnlichen Gastsänger (u.a. Gary Numan und Matias Aguayo). Weniger Mathematik, weniger Strenge – die Experimentierfreude hat aber auf dem neuen Album „Gloss Drop“ (Warp) nicht nachgelassen. Experimentelle Popmusik machen Ear Pwr. Die wundervollen Gesangslinien von Sarah Reynolds treffen auf komplexe Sounds und Rhythmen, die gleichermaßen elektronisch und akustisch generiert sind (Carpark). Tom Vek war nach seinem Debüt von 2005 verschollen. Nun taucht er mit dem Nachfolger „Leisure Seizure“ und einigen Hits eindrucksvoll wieder auf. Der aufpuschende Elektronik-Pop und sein markanter, leicht nöliger Gesang werden wieder die Indie-Disco in Wallung bringen (Island). Liturgia ist Black Metal für Indie-Hörer: Auf Thrill Jockey erscheint ihre düstere Klangmesse „Aesthetica“ mit Gitarrenwänden, die ebenso Black Metal sind wie sie an Mogwai erinnern und ordentliches Screaming einbringen, wie es sich gehört. Erhabene, heilige Musik.
Die O'Death repräsentieren die neuerdings mit Gothic-Country belabelte amerikanische Folkwelle ganz gut. Sowohl visuell als auch akustisch klingt ihr drittes Album „Outside“ düster wie ihr Bandname. Mit einem tragischen Gesang, der an Will Oldham erinnert und melancholischem Banjo zelebrieren sie ihre emphatischen Melodien (City Slang). Leichtfüßiger sind die Feelies, die nach schlappen 19 Jahren mal wieder ein Album gemacht haben. Ihre langsam mit Akustikgitarre anhebenden Songs, mit teils mehrstimmigem Gesang und langgezogenen Soli, findet man wieder auf „Here Before“. Unspektakulär, aber immer wieder schön in ihrer geschmackssicheren Schlichtheit (Bar None).
John Tejada veröffentlicht „Parabolas“ auf Kompakt und liefert damit ein flockiges, melodiebetontes Technohouse-Album mit dezent upliftenden Momenten ab. Warme Sounds bestimmten das Klangbild, da sind sogar Acid-Elemente wohlig-weich. Paul Kalkbrenner meldet sich erstmals seit seinem kometenhaften Aufstieg nach „Berlin Calling“ mit einem Album zurück. „Icke wieder“ kümmert sich so dermaßen wenig um Erwartungshaltungen – kein Gesang wie bei seinem Hit „Sky and Sand“ – dass es fast langweilt. Andererseits macht er einfach, was er seit gut zehn Jahren macht: Melancholisch-melodischen Techhouse. Und das kann er (PK Musik). Ada hingegen geht auf ihrem zweiten Album „Meine zarten Pfoten“ neue Wege: Akustische Instrumente, Gesang, weniger Club, dafür ein waghalsig guter R'n'B-Track (Pampa). Und auch Ricardo Villalobos beschreitet ungewöhnliche Pfade: Zusammen mit Max Loderbauer hat er für die Doppel-CD „Re:ECM“ das Archiv des legendären Jazz-Labels geplündert und abstrakte, düstere Klangskulpturen modelliert. Aber der Respekt scheint leider zu groß gewesen zu sein, um Arvo Pärt mal raven zu lassen (ECM).
Die fünfte Zusammenarbeit zwischen Alva Noto und Ryuichi Sakamoto lässt abermals Sakamotos Pianospiel auf Carsten Nicolais glasklare Digitalsounds – Rauschen, Knacksen, Brummen – treffen. Klangräume von gebrochener Schönheit (raster-noton). Reissue des Monats: Das CD/DVD-Pack „Unearthed“ von Tuxedomoon ist eine Widerveröffentlichung der limitierten „77o7“-Box von 2007 – ohne die damals aktuellen Stücke. Hier findet man vor allem frühe, unveröffentlichte Aufnahmen der New Wave-Ikonen aus den späten 70er, frühen 80er Jahren und ebensolches Videomaterial – aus einer Zeit, also Tuxedomoon noch etwas rauer klangen (Crammed Discs).
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