Wunder ereignen sich naturgemäß selten. Und wenn Gremien tagen, sind Formen der Epiphanie sowieso grundsätzlich ausgeschlossen. Dass man nie zu früh unken sollte, zeigte im Mai allerdings ein Treffen in Bochum. Getroffen haben sich dort Verbände, die sich bisher eher freundlich distanziert gegenüberstanden. Die Initiative ging vom Bund der Szenografen aus, geladen hatte das ensemble-netzwerk, das seit drei Jahren mit viel Elan die Arbeitsbedingungen von Künstlern an öffentlich geförderten Theatern durchschüttelt. Sein Erfolg liegt in seiner konsensualen Methode. Beim Treffen dabei waren deshalb nicht nur Initiativen wie regie-netzwerk, art but fair, die Dramaturgische Gesellschaft oder der Bundesverband Freie Darstellende Künste. Auch die Stadt- und Staatstheater-Schlachtrösser wie der Deutsche Bühnenverein und sein willfähriger Gefolgsmann, die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GBDA) hatten nach Bochum gefunden. Janina Budsinski vom Bundesverband Freie Darstellende Künste sprach im Deutschlandfunk vom „Zusammenkommen dieser verschiedenen Welten“. Bisher trotteten Stadttheater, Initiativen und Freie Szene nämlich meist nebeneinander her und verlangten jeder für sich ein größeres Stück vom gemeinsamen Finanzkuchen.
In Bochum blieb es nicht nur beim netten Meinungsaustausch, sondern die Verbände verständigten sich sogar auf eine gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Freien Szene. Konkret: Die wolkig-guten Worte im Koalitionsvertrag zum Thema Kultur sollen nachzählbare Folgen haben. So sollen die Mittel des Fonds Darstellende Künste, der bundesweit Produktionen der Freien Szene fördert, von 1,1 Mio. Euro zunächst auf 2 Mio. in 2018 und auf 3 Mio. im Jahr darauf erhöht werden. Soweit die gemeinsame Position. Was gut klingt, muss noch nicht gut sein. Es ist ein erster Schritt. Weit dringlicher wäre eine mehrjährigen Förderung von Gruppen und Künstlern oder die Einrichtung eines bundesweiten Netzwerkes von gut ausgestatteten und auskömmlich finanzierten Spielstätten der Freien Szene bis in die Mittelstädte hinunter.
Wie viele Lichtjahre die Freie Szene von sozialer Absicherung und angemessener Finanzierung entfernt ist, zeigt der parallel zum Treffen in Bochum verkündete Tarifabschluss für die Künstler an Stadt- und Staatstheatern. Der Deutsche Bühnenverein, die GDBA und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) gaben bekannt, dass man den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes für 2018 folgen wolle. Was sollten sie auch sonst tun. Danach erhalten die Künstler an den Theatern zwischen 2,2 und 3,5 Prozent mehr Lohn. Das gilt allerdings nicht für alle gleichermaßen. In Hessen sieht es etwas schlechter aus, für andere etwas besser. Doch der Tarifabschluss des Öffentlichen Dienstes ist wiederum nicht zu vergleichen mit dem Tarifabschluss der IG Metall über 4,3 Prozent für die Mitarbeiter der Metall- und Elektroindustrie. So gleicht sich alles aus. Wunder in der Freien Szene jedenfalls dauern dann doch etwas länger.
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