Sonntag, 8. September: Der 1978 in Thessaloniki geborene Filmemacher Syllas Tzoumerkas erregte bereits mit seinem zweiten Spielfilm „A Blast – Ausbruch“ im Jahr 2014 internationales Aufsehen. Der gemeinsam mit Youla Boudali geschriebene Film, in dem Angeliki Papoulia fulminant die Hauptrolle verkörperte, erhielt in Athen eine Auszeichnung und war u.a. auf den Filmfestspielen in Locarno, Seattle und Hamburg zu sehen. Schon damals war der Film als internationale Koproduktion entstanden, wobei die Film- und Medienstiftung NRW und die Kölner Produktionsfirma unafilm von Titus Kreyenberg als deutsche Beteiligte mit an Bord waren. Auch Tzoumerkas‘ nachfolgender Spielfilm „Das Wunder im Meer von Sargasso“ entstand nun mit denselben Beteiligten, die alle gemeinsam für die NRW-Premiere des Films ins Filmforum im Museum Ludwig am Kölner Dom gekommen waren. Hier lobte Kreyenberg auch die bereits seit zehn Jahren bestehende Zusammenarbeit mit dem Kölner Verleih RealFiction, deren Geschäftsführer Joachim Kühn die Moderation des Abends übernahm.
Syllas Tzoumerkas, der gemeinsam mit Youla Boudali auch wieder das Drehbuch zum Film geschrieben hatte, erläuterte beim Publikumsgespräch nach der Projektion des Films, dass es nichtsdestotrotz einen Castingprozess gegeben hätte, da man nur so herausfinden konnte, welche der beiden Schauspielerinnen besser für welche Rolle geeignet wäre. „Während des Schreibens denken wir nicht so viel, erst bei den eigentlichen Dreharbeiten erhält alles den finalen Schliff“, merkte der Regisseur an. Angeliki Papoulias ungewöhnliche Figur einer toughen Polizeichefin, die kein Blatt vor den Mund nimmt, sollte die Schauspielerin an Harvey Keitels Interpretation in Abel Ferraras „Bad Lieutenant“ aus dem Jahr 1992 anlehnen, den ihr Tzoumerkas als Vorbereitung für den Film ans Herz gelegt hatte. Dass Polizistin Elisabeth so offenherzig und auch in ihrer Sprache so direkt ist, habe ihr die Bewunderung ihres Regisseurs eingebracht. Von der neuerlichen Zusammenarbeit, auch mit dem deutschen Koproduzenten, waren sämtliche Beteiligte begeistert. Titus Kreyenberg fasste zusammen: „Wir wussten schon im Vorfeld, dass es funktioniert, auch, weil wir von den Bedürfnissen des jeweils anderen wussten.“ Auch Tzoumerkas war voll des Lobes angesichts der Tatsache, mit einem erfahrenen und eingespielten Team zusammenzuarbeiten. Künstlerische Mitarbeiter aus anderen Ländern seien faszinierend, weil sie den gegenseitigen Austausch vertiefen würden, so der Regisseur weiter. Eine besondere Herausforderung bei der Ausgestaltung ihrer Rolle bestand für Angeliki Papoulia darin, den richtigen Gang für ihre Rolle zu finden. Der sei nämlich gänzlich verschieden von ihrer eigenen Art zu gehen gewesen, weswegen er viel zur Charakterisierung ihrer Figur beigetragen habe.
Für Co-Autorin Youla Boudali bestand die Kernszene des Films in der Erhängung einer der Figuren. Dies sei überhaupt die erste Szene gewesen, die sie geschrieben hätten. Es war essentiell für den Film, dass diese Szene glaubhaft realisierbar wäre, da sie dem Gesamtergebnis eine wichtige Note Authentizität verliehen habe. Gedreht wurde der Film in weiten Teilen in der griechischen Küstenstadt Mesolongi, einer der ärmsten Regionen Europas. Diese ländliche, sehr wasserreiche und sumpfige Gegend mit ungewöhnlichen Pflanzen, Fischen und Vögeln ist insbesondere Boudali gut bekannt, weil ihre Mutter aus dieser Region stammt. Tzoumerkas kommentierte: „Es war mein erster Film, den ich in der Natur gedreht habe, und es war ein wahres Fest für mich, dadurch aus den mir gewohnten urbanen Settings herauszukommen.“ Dass der Film keinem einzelnen Genre zuzuordnen ist und im Laufe der Handlung immer wieder den Stil wechselt, erinnert nach Meinung des Regisseurs an unser eigenes Leben, das ebenfalls ständig im Fluss sei und sich nie eindeutig in eine Kategorie stecken lasse. Aus diesem Grund hat Tzoumerkas für die verschiedenen Aspekte seines Films auch verschiedene Komponisten engagiert, die die Facetten der Geschichte auch akustisch wiederspiegeln. Am 12. September startet „Das Wunder im Meer von Sargasso“ regulär in den deutschen Kinos.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
Rechtsextreme Terroranschläge
„Einzeltäter Teil 3: Hanau“ im Filmhaus – Foyer 02/24
„Monika musste sterben, weil sie nicht auf den Bus warten wollte“
Auf der Suche nach Gerechtigkeit beim dfi-Symposium – Foyer 01/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24