Mittwoch, 24. November: Bis zu zweimal im Monat lädt die Internationale Filmschule Köln (ifs) zu kostenlosen Filmvorführungen ins Filmforum, um im Anschluss mit Beteiligten aus der Crew oder Experten zu den Themen der Vorführungen mit dem Publikum zu diskutieren. Nun stand „Was nützt die Liebe in Gedanken“ auf dem Programm, der 2003 von Achim von Borries („Babylon Berlin“) nach tatsächlichen Vorkommnissen mit den damaligen Shooting-Stars Daniel Brühl, August Diehl, Anna Maria Mühe und Jana Pallaske inszeniert wurde. Kamerafrau war seinerzeit Jutta Pohlmann, für die der Film einen wichtigen Karrierestein markierte, zumal es in ihrer gesamten Laufbahn der einzige Film blieb, den sie auf 35mm drehte. Seit knapp zwei Jahren hält sie an der ifs eine Professur für Kamera, wozu sie am Abend im Gespräch mit Filmjournalist und Kurator Horst Peter Koll ebenfalls einige Fragen beantwortete. Noch vor der Projektion merkte Koll an, dass er „Was nützt die Liebe in Gedanken“ zum Kinostart für „einen der interessantesten, spannendsten und wichtigsten Filme der Epoche“ gehalten habe, und ihm insbesondere die visuelle Ausstattung des Films und einige extreme Kameraperspektiven in Erinnerung geblieben seien. Genau wie Pohlmann hatte er den Film in den letzten knapp 20 Jahren allerdings nicht mehr gesehen.
Aus dem Bauch heraus entstanden
Die Projektion, die digital erfolgte, weil die einzige verbliebene 35mm-Kopie in einem äußerst schlechten Zustand ist, hinterließ bei Pohlmann dann einen zwiespältigen Eindruck. Zunächst sei sie durch das helle, milchige Bild irritiert gewesen, und auch später sei es ihr schwergefallen, sich auf die Geschichte des Films zu konzentrieren, weil ihr stets andere Dinge in Bezug auf die Dreharbeiten und ihre Arbeitsweise in den Sinn gekommen seien. Koll hingegen attestierte, dass der Film mit dem „Mut zu einer gewissen Langsamkeit produziert“ wurde, mit der eine ganz bestimmte Atmosphäre geschaffen würde, und dass der Film „die Leinwand auch heute noch gut“ aushalte. Im weiteren Gespräch erläuterte Prof. Jutta Pohlmann dann, dass von Borries‘ Film „aus dem Bauch heraus entstanden“ sei. Alle Beteiligten hätten beim eigentlichen Dreh „irrsinnig viele Überstunden“ gemacht, weil sie im Vorfeld ihre „Hausaufgaben nicht gemacht“ hätten. Sie seien mit einer gewissen Naivität an diese vergleichsweise große Produktion herangegangen, aber im Arbeitsablauf hätte es sich als hilfreich erwiesen, dass Pohlmann zuvor auch an Achim von Borries‘ Abschlussfilm „England!“ als Kamerafrau mitgewirkt hatte. So waren zumindest die beiden bereits ein eingespieltes Team. Dennoch gestand Pohlmann, dass sie „mit der Situation zunächst überfordert“ gewesen sei, und die „die Schwere erstmal von mir abschütteln“ musste. Dabei wären sie aber nicht zuletzt auch von den Darstellern unterstützt worden, die viel zu bieten hatten, damit man sich den Figuren ganz hingeben konnte. Heute sei es so, dass sich die Cinematographin schnell langweile, und sich deswegen lieber noch nach anderen Betätigungsfeldern umschaue. Dieser Blick über den Tellerrand hat u.a. dazu geführt, dass sie an Tom Tykwers Afrika-Film-Förderprojekt „One Fine Day“ als Mentorin beteiligt war. Als Beraterin hat sie hier geholfen, BewerberInnen für die Kameraarbeit auszuwählen und anschließend mit ihnen gemeinsam das Projekt „Kati Kati“ in Kenia entwickelt.
Der eigenen Handschrift nicht bewusst
Auch für etliche Werbefilme und Musikvideos war Jutta Pohlmann als Kamerafrau tätig. Horst Peter Koll zeigte am Abend exemplarisch ihr Musikvideo zum Song „Ich tauche auf“ von Tocotronic. Für Koll durchaus ein Beleg, dass Pohlmann als Kamerafrau eine ganz eigene, unverkennbare Handschrift hat. Sie selbst erläuterte dann aber, dass „ich immer dann etwas über mich selbst lerne, wenn andere mich darauf hinweisen. Ich bin mir meiner eigenen Handschrift nicht bewusst.“ Ihre bisherige Zeit als Professorin an der ifs war weitgehend von den Restriktionen der Corona-Pandemie geprägt. Doch gemeinsam mit ihrem, am Abend ebenfalls anwesenden Kollegen Prof. Hajo Schomerus hätte sie in dieser besonderen Zeit Dinge entwickelt, um diesen sehr praktischen Beruf den Studierenden auch über eine eher theoretische Ebene näher zu bringen. So wurde beispielsweise auch ein Filmclub initiiert, zu dem Kameraleute eingeladen wurden, die im Anschluss über ihre Arbeit gesprochen haben. Das Format soll nun auch nach Corona aufrechterhalten werden. Ein weiteres Steckenpferd Pohlmanns ist die Gründung des Cinematographinnen-Vereins, in dem sich derzeit rund 70 weibliche Kamerafrauen organisiert haben, um sich nach amerikanischem und englischem Vorbild miteinander zu vernetzen und auszutauschen. Darüber hinaus sei es ihr wichtig, junge Frauen in ihrer Entscheidung zu ermutigen, sich ebenfalls für diesen Beruf zu entscheiden, zumal eine Verknüpfung mit dem Privatleben heute kein Problem mehr darstellen würde.
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