choices: Herr Brauers, wächst das Pfandkreditgeschäft mit der Krise?
Jochen Brauers: Schätzungsweise wird das deutsche Pfandkreditgewerbe 2009 2-3 Prozent wachsen und insgesamt rund 510 Mio. Euro an Darlehen vergeben. Unser Geschäft ist stabil und hat sich nicht wesentlich verändert, nach wie vor werden auch über 90 Prozent der Pfänder wieder ausgelöst.
Welche Dinge werden bei Ihnen zur Kreditsicherung versetzt?
Neun Zehntel sind Uhren und Schmuck – vor allem Gold und Platin. Silber lohnt sich kaum, ein Gramm davon kostet zurzeit ca. 37 Cent. Da müssten Sie schon eine Menge hinterlegen. Ein Zehntel ist Technik, Spielkonsolen, der Fernseher, die Digital- oder Spiegelreflexkamera. Wir beleihen aber auch Porzellane, Silberleuchter und -schalen, Antiquitäten also.
Wie viele Kunden kommen übers Jahr zu Ihnen?
Etwa eine Million Menschen kommen pro Jahr ins Leihhaus. Dabei gibt es nur zwei Bevölkerungsschichten, die nicht zu uns kommen: die ganz Armen, weil sie nichts versetzen können und die ganz Reichen, weil sie uns nicht nötig haben. Wir haben Kunden, die nur einmal in ihrem Leben zu uns kommen. Aber auch Stammkunden. Die wissen regelmäßig, wann etwa eine Steuer fällig ist, holen das Geld dafür im Leihhaus und zahlen es nach kurzer Zeit zurück – Thema erledigt.
Was unterscheidet den Pfand- vom Bankkredit?
Beides sind Kredite. Wenn Sie zur Bank gehen, müssen Sie vielleicht Ihr Gehalt oder Ihr Haus als Sicherheit abtreten und haften Sie in der Regel mit Ihrem gesamten privaten Eigentum. Beim Pfandkredit haftet ausschließlich das Pfand. Wir fragen deshalb auch nicht bei der Schufa nach. In Zweifelsfällen wollen wir die Rechnungen sehen, die werden aber bei teureren Teilen in der Regel schon mitgebracht. Wenn das Pfand nicht abgeholt wird, können wir es zur Deckung unserer Kosten versteigern. Erbringt die Versteigerung zu wenig, ist das das Problem des Pfandleihers. Wird mehr erlöst, steht das dem Verpfänder zu. Wenn der sich nicht meldet, geht der Überschuss an den Staat.
Sie müssen jedes Pfandstück auf seinen Wert hin taxieren. Das erfordert eine gewisse Fachkompetenz.
Den Beruf des Pfandleihers gibt es so nicht. Wir bilden zwar Kaufleute aus, Bürokaufleute und Einzelhandelskaufleute, aber das Wissen über die Dinge, die wir beleihen, bekommen Sie nur in der Praxis. Wenn wir einen neuen Mitarbeiter einstellen, versuchen wir, jemanden zu bekommen, der schon mit Uhren und Schmuck zu tun hatte. Auch wenn die vorher bei einem Juwelier gearbeitet haben, müssen wir ihnen immer noch sehr viel beibringen. Das Prüfen von Gold oder die Frage, wie man die Echtheit von Uhren erkennt. Wir schulen deshalb unsere Mitarbeiter regelmäßig.
Teure Uhren gelten als wertvolle Liebhaber- und Sammlerstücke.
Selbstverständlich. Der Preis von Nobeluhren bewegt sich in der Regel im vier- bis fünfstelligen Bereich. Sie sind deshalb für uns sehr interessant. Schon aus diesem Grund müssen wir über dieses Segment sehr gut Bescheid wissen. Wir müssen 20 oder 30 Marken kennen, kein Juwelier wird so viele Nobelmarken führen.
Der höchste Pfandkredit, den Sie persönlich je vergeben haben?
Ich bin seit 25 Jahren im Geschäft, wir beleihen zwischen 20 Euro und sechsstelligen Beträgen, aber in der Regel endet es fünfstellig. Dafür müssen Sie allerdings schon sehr viel mitbringen. Arm ist man da nicht.
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