Montag, 16. Oktober: Das Erlebnis Cannes, wo der schwedische Beitrag „The Square“ die Goldene Palme gewann, findet Hauptdarsteller Claes Bang immer noch schwer zu beschreiben. „Ich habe für diese Rolle hart gearbeitet, und dann sitzt man plötzlich da, und ich glaube, die haben so um die sieben Minuten geklatscht. Das war echt toll. Wenn ich das zu beschreiben versuche, wird das viel kleiner, als es war.“ Die Tragikomödie und knallharte Satire von Ruben Östlund („Höhere Gewalt“), für Schweden auch im Oscar-Rennen, zeigt das Leben des Museumsdirektors Christian (Claes Bang), geschiedener Vater zweier Töchter. Bei einem Interview erscheint er souverän, aber als durch Unachtsamkeiten echte Herausforderungen entstehen, ist er schnell überfordert. Der Film, in dem auch Elisabeth Moss („Mad Men“, „Queen of Earth“) und Dominic West („The Wire“) mitspielen, baut dabei auf einem Fundament gesellschaftlicher und kultureller Unsicherheiten und Problemfelder auf.
Im Odeon freute sich Claes Bang, kurz vor Kinostart die deutsche Fassung begutachten zu können, in der er – abgesehen von unveränderten englischsprachigen Szenen – sich selbst synchronisiert. Dass seine Aussprache kein perfektes Synchrondeutsch ist, dürfte mit dem Original übereinstimmen, denn Christian ist Ausländer. „Ich spiele in dem Film einen Dänen, der in Stockholm in einem Museum arbeitet. Mein Assistent Michael ist auch Däne. Alle anderen sind eigentlich schwedisch. Ich rede mit denen dänisch und die reden schwedisch mit mir. Die Sprachen sind so ähnlich, wir verstehen uns eigentlich.“ Die Originalfassung spiele auch mit dem „Hass-Liebe-Verhältnis“ zwischen Dänen und Schweden.
Für die Filmsociety sprach WDR-2-Moderatorin Andrea Burtz mit dem Schauspieler und wollte wissen, wie es gewesen sei, für Ruben Östlund an 68 von 70 Drehtagen vor der Kamera gestanden zu haben. „Er macht unheimlich lange Takes und er macht unheimlich viele Takes. Wenn er keinen Schnitt machen muss, will er die Szene immer lieber in einer einzigen Einstellung lösen. Die sind oft 5, 7, 8, 12 Minuten lang, und davon machen wir dann vielleicht um die 60 oder 70 Takes pro Tag.“ Am „Affendinner“ mit dem Performer Terry Notary, dessen Ablauf nach wenigen Versuchen festgestanden habe, drehte man zum Beispiel drei Tage und immer nur in kompletten Durchläufen.
„Er will aus den Schauspielern irgendetwas ganz Organisches und Authentisches herauslocken“, sagt Bang. „Er wartet darauf, dass man bei Take 20 oder 25 eigentlich erschöpft ist, dann hört man auf zu ‚produzieren‘ oder irgendwas zu spielen, man ist einfach nur da. Und das ist eigentlich, was er will.“
„Es gibt in dem Film Szenen, wo ich denke: Die Schauspieler wissen gar nicht, dass eine Kamera im Raum ist.“ Es sei sehr erschöpfend gewesen, aber „so viel Zeit und Raum, da tief reinzukommen, das kriegt man nie“. Auch ein gewisses Maß an sprachlicher Improvisation stecke in den Szenen, damit sie organisch wirken. Er habe sich daher auch intensiv mit Museumsdirektoren und deren öffentlichen Äußerungen befasst, um sich deren Redeweise anzueignen. Schon beim Casting sei es die Aufgabe gewesen, „die Rede, die ich im Museum gebe, zu schreiben, und wir haben fast genau das behalten, was ich selber geschrieben habe“. Das Presseinterview, das den Film eröffnet, sei beim Dreh „sicher eineinhalb Stunden lang gewesen, und ich konnte damals alles beantworten“.
Vom Publikum auf die Aufnahmen von Obdachlosen angesprochen, überraschte Bang mit der Aussage, dass überhaupt „nur fünf ausgebildete Schauspieler im Film“ seien. „Die anderen machen eigentlich im richtigen Leben das, was sie spielen.“ Das Casting in Skandinavien, Europa und Amerika habe allerdings „unheimlich lang“ gedauert.
Über seine Figur oder gar das Thema des Films habe Bang mit dem Regisseur nicht gesprochen, sondern nur über eines: „Ich fand es unheimlich wichtig, dass Christian sympathisch ist und nicht der klischee-arrogante Museumsleiter oder so ist, dass man ihn mag und sich mit ihm identifizieren kann.“ Am Ende wünsche man sich daher auch, dass er das Kind findet. Ansonsten habe sich der Charakter im Laufe des Drehs und der vielen Takes langsam herauskristallisiert. „Ich habe mir den Luxus erlaubt, immer das zu tun, was er [Ruben Östlund] wollte, also immer nur da zu sein. Das heißt, die Verantwortung für die Geschichte hat er ja.“ Das sei für Bang auch ein wesentlicher Unterschied zwischen Filmen und seiner Arbeit am Theater, wo die Schauspieler für das Erzählen der Geschichte verantwortlich seien. Im reichlich vollen Odeon beantwortet Bang 25 Minuten lang Fragen aller Art, die vor allem der ungewöhnliche Film ausgelöst hatte.
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