Mit 14 Jahren spielte die 1995 geborene Paula Beer in „Poll“ bereits die Hauptrolle. Sie erhielt dafür den Nachwuchspreis des Bayerischen Filmpreises. Es folgten Rollen in „Ludwig II.“, „Das finstere Tal“, in François Ozons „Frantz“, in „Werk ohne Autor“ und in „Transit“ unter Christian Petzold. Nachdem sie kürzlich im Fernsehen in der Hauptrolle der Serie „Bad Banks“ Erfolge feiern konnte, ist Paula Beer nun auch in Petzolds neuestem Film „Undine“ wieder mit dabei. Sie spielt die Titelrolle in dem auf der Berlinale uraufgeführten Film. Auf der Berlinale wurde Beer soeben mit einem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet.
choices: Frau Beer, die Motive aus Friedrich de la Motte Fouqués Romanvorlage muss man schon sehr genau suchen. Wie wichtig war es Christian Petzold denn, dass Sie als Schauspieler diese kennen und sich darauf beziehen können?
Paula Beer: Für uns war die Vorlage wichtig, um zu merken, dass die Geschichte durchaus eine größere Tragweite hat. Sie ist nicht einfach nur alltäglich, sondern wie bei einem Märchen oder einer Sage geht es dabei auch um Werte, die größer sind, um starke und aufgeladene Begriffe wie Liebe und Sehnsucht. Deswegen war die Kenntnis der Vorlage schon wichtig, damit man eine andere Aufladung bekommt und am Ende des Films merkt, dass es keine 08/15-Liebesgeschichte ist, sondern hier mehr mitschwingt.
Meiner Meinung nach ist das eine Art märchenhafter Realismus, bei dem auch wieder Mystik hineinspielt. War diese Stimmung auch schon bei den Dreharbeiten spürbar?
Das ist schwer zu sagen, weil man ja beim Drehen auch noch mit so vielen anderen Dingen beschäftigt ist. Aber Christians Arbeitsweise war schon sehr besonders. Wir waren ein sehr kleines Ensemble, das er direkt am Anfang versammelt hat, um uns Filme zu zeigen, die ihn inspiriert haben zu der Geschichte. Teilweise waren diese auch einfach nur in einem Stil der Verzauberung gehalten, was uns auf den gleichen Nenner bringen sollte, um was es ihm bei seinem Film gehen könnte. Eine Art modernes Märchen, aber ohne den Kitsch und ohne uns dafür zu verkleiden. Christians Stil ist sehr pur, und dem sollte die Geschichte auch hier wieder entsprechen.
Etliche Szenen des Films spielen im Wasser – hat Sie das Überwindung gekostet, oder würden Sie sich vielleicht sogar als Wasserratte bezeichnen?
Nein, als Wasserratte würde ich mich nicht bezeichnen. Aber ich habe einen Tauchschein, weil ich für ein anderes Projekt schon tauchen musste. Danach wollte ich es dann besser lernen, denn für mich ist es ziemlich absurd, unter Wasser zu sein und zu atmen. Das hat mich zunächst eine Menge Überwindung gekostet, bis ich mich das getraut habe, weil da zuvor meine Überlebensinstinkte eingesetzt haben. Aber nun habe ich ja meinen Tauchschein, und das hat auch bei diesem Film wieder enorm viel Spaß gemacht. Auf dem Set wurde ein riesiger Wassertank gebaut, in dem ein Steintor standen und viele Wasserpflanzen. Da konnte ich mich wie auf einem Kinderspielplatz fühlen. Das Tolle am Tauchen ist, dass man irgendwann eine Art Schwerelosigkeit erreicht. Und unter Wasser in einer Art Traumlandschaft zu schweben, macht wirklich Spaß!
Nach „Transit“ ist dies bereits der zweite Film, den Sie mit Petzold gedreht haben. Sehen Sie sich schon als seine neue Muse?
Nein, das würde ich nicht sagen. Ich glaube, auch mit Franz Rogowski zusammen, dass wir zu dritt sehr gut zurechtkommen. Da es für mich nun das erste Mal war, dass ich mit einem Regisseur wiederholt zusammengearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass das schon etwas Besonderes ist. Wenn man sich nicht kennt, ist man immer erst eine Weile damit beschäftigt, die Situation einzunorden und festzustellen, wie der andere funktioniert und wie er arbeitet. Damit ist man meistens schon einen Großteil des Drehs beschäftigt, bis man das alles weiß. Wenn man das aber schon hinter sich hat, kann man sich viel schneller auf die eigentliche Arbeit konzentrieren und sich mit Dingen beschäftigen, für die man sonst gar nicht den Fokus gefunden hätte. Das macht das Arbeiten nur noch entspannter und schöner.
Sie haben also diese neue Konstante als angenehmer empfunden, als sich stets auf neue Kollegen einlassen zu müssen – oder kann man das nicht miteinander vergleichen?
Nein, das kann man so nicht sagen, denn das erneute Zusammenarbeiten macht natürlich nur dann Spaß, wenn es beim ersten Mal gut lief. (lacht) Sonst will man das ja eher vermeiden. Nein, ich finde auch, dass es zu ganz tollen neuen Begegnungen kommen kann, wenn man das erste Mal mit jemandem zusammenarbeitet. Man sollte sich nicht davor versperren, denn ich finde es wahnsinnig befreiend, wenn man mit Menschen arbeitet, die man schon kennt, und zu denen es schon eine Vertrauensebene gibt, aber es ist genauso bereichernd, mit Leuten zu arbeiten, die man noch gar nicht kennt, weil man einige Dinge dann auf eine ganz andere Weise sehen kann oder neu gefordert wird.
Eines Ihrer Vorbilder ist Nina Hoss, die schon viele Jahre mit Christian Petzold zusammengearbeitet hat. Waren Sie Fan seiner Arbeiten, bevor Sie in „Transit“ das erste Mal mit ihm gedreht haben?
Ich hatte seine Filme natürlich auf dem Schirm und mochte sie sehr, aber ich hätte mich zu diesem Zeitpunkt nicht als Fan bezeichnet. Denn so lange ich Menschen nicht persönlich kenne, kann ich zwar deren Arbeit toll finden, aber noch nicht die Person selbst. Aber seit ich mit Christian gearbeitet habe, bin ich auf jeden Fall Fan. (lacht)
Petzold ist für seine toll gezeichneten Frauenfiguren bekannt. Würden Sie ihn im Vergleich zu anderen Regisseuren als Frauenversteher oder Frauenregisseur bezeichnen?
Ich glaube, dass Christian in erster Linie ein Verständnis und eine Sensibilität für Emotionen und für Menschen hat. Männer und Frauen funktionieren meiner Meinung nach in einigen Dingen schon etwas unterschiedlich. Christian ist jemand, der das sehr gut auffangen und fördern kann. Ich glaube, er hat sehr viel Spaß an Figuren generell, ganz egal, ob es eine Frau oder ein Mann ist.
Es ist faszinierend, wie fließend Ihnen im Film die Fakten über die Berliner Architektur über die Lippen kommen. Haben Sie dazu eine besondere Affinität?
Ja, schon. Allein in Berlin zu sehen, wie unterschiedlich die Stadt zusammengesetzt ist, hat schon etwas Faszinierendes. Auch generell in Städten deren Geschichte sehen zu können und daran nachvollziehen zu können, was dort geschehen ist, interessiert mich. Bei geschichtlichen Dingen habe ich oftmals das Problem, dass mir der emotionale Zugang fehlt. Wenn mir etwas zu trocken faktisch ist, kann ich mir das meist schlecht merken. Hier war der große Vorteil, dass man wahnsinnig viel dabei lernt, wenn man diese Vorträge können muss.
Sie leben nun schon seit etlichen Jahren in Berlin, hatten Sie dann vielleicht einen besonderen Bezug zu der Architektur dieser Stadt, die Sie so gut kennen?
Mir hat sich die Struktur dieser Stadt noch einmal ganz neu erschlossen. Ein paar Dinge weiß man natürlich, aber wir hatten einen ganz tollen Historiker, der uns diese Vorträge geschrieben hat. Und weil die so gut sind, haben sich dabei für mich ganz neue Zusammenhänge erschlossen – wie Berlin entstanden ist und warum genau an der Stelle.
Vor 10 Jahren sind Sie mit dem Film „Poll“ schlagartig bekannt geworden. War Ihnen damals bereits klar, dass Sie das zum Beruf machen wollen?
Nein, ich glaube nicht, denn ich war damals 14, und in dem Alter hat man das noch gar nicht so auf dem Schirm. Ich habe damals gemerkt, dass es mir Spaß macht, aber mir war noch nicht klar, dass ich das auf jeden Fall machen möchte. Nach der Schule stand dann gar nicht mehr so sehr im Raum, ob ich mit der Schauspielerei weitermache, sondern eher das Wie. Das hat sich dann alles eher ergeben, als dass ich große Pläne geschmiedet hätte.
Ungemein erfolgreich sind Sie derzeit auch mit der Serie „Bad Banks“. Haben Sie privat gemerkt, dass damit ein Popularitätsschub einhergegangen ist?
Ich werde gar nicht so oft auf der Straße angesprochen oder erkannt, aber ich habe das Gefühl, dass mich die Leute manchmal intensiver anschauen – da weiß ich dann nicht, ob ich etwas im Gesicht kleben habe oder ob sie mich erkennen und nicht einordnen können. Eine Serie, die viel leichter zu schauen und zu streamen ist und viel länger verfügbar bleibt, schauen natürlich viel mehr Menschen. Ich glaube aber auch, dass bei meiner Figur der Jana Liekam viel eher die Irritation da ist, ob sie das nun wirklich ist, weil ich privat doch ein wenig anders aussehe als sie.
Berliner Filmfestspiele 2020: Silberner Bär als Beste Darstellerin
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