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Aus NRW sind die Düsseldorfer „Rot-Runner“ am Start und ersetzen Pkw – durch schnellere Rad-Kilometer
Foto: Tom Jost

Lastenverschiebung: Mit der Kiste auf die Piste

20. Dezember 2012

Was transportiert flott und umweltfreundlich bis zu 100 Kilo? Elektro-unterstützte Transportfahrräder – Innovation 01/13

Die einen dieseln die Innenstädte mit Kleinlastern zu. Die anderen entwerfen Elektro-Transporter, auf deren Marktantritt man jedoch noch eine gewisse Zeit warten muss. Die dritten fahren schon: stromunterstützt, abgasfrei, leise, flott – und durchaus mit beträchtlichen Lasten. Und das auf zwei Reifen.

Ungefähr 15 Jahre alt ist die ursprüngliche Idee und kommt – natürlich – aus Holland. „Bakfiets“, also Kistenrad, haben ihre Erfinder ihre Konstruktion getauft. Hinten treten, mittig lenken, vorn transportieren ist schon das ganze, inzwischen recht erfolgreiche Prinzip: In den Unistädten der Niederlande erspäht man selbst im Winter die Bakfiets oft gleich zu Dutzenden. Vor allem Mütter bedienen sich des Lastenrades gern, weil sie bis zu drei Knirpse gleichzeitig schaukeln können. Anders als im Anhänger oder auf dem Gepäckträger-Sitz hockt der Nachwuchs dabei immer hübsch im Blickfeld der familiären Transportbeauftragten.

Allerdings muss die Fracht, die per Lastenrad durch die Gegend bewegt sein will, nicht immer zappelig sein. Ein Grund, weshalb jetzt auch Transportprofis hellhörig werden. Und die Bundesregierung: „Ich ersetze ein Auto“ heißt das vom Umweltministerium gesponserte Pilotprojekt – humorvollerweise beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) angesiedelt. Seit dem Sommer sausen 40 Elektro-Lastenräder durch Großstädte der Republik – aus NRW sind die Düsseldorfer „Rot-Runner“-Kuriere mit vier E-Frachtern auf der Piste. Maximal zwei Kisten mit Akten und Laborproben, Ersatzteilen oder anderem Kleinkram sind meist schneller als per Benzinmobil beim Kunden.

 

Ein gutes Stück eher war Hans-Rainer Ehret in Köln unterwegs. Der ehemalige Rad-Kurier flitzte immer wieder gern mit dem Lastenrad durch die Gegend, seit drei Jahren elektrounterstützt. „Damit kann ich selbst mit einer Waschmaschine vorn drauf den Berg hoch fahren“, berichtet Ehret aus seiner inzwischen 15.000 Kilometer langen E-Rad-Praxis. Einmal sei er sogar mit 150 Litern Bier zum Polterabend eines Kumpels geradelt. Kein Problem. „Im Stadtverkehr bin ich mit dem Lastenrad genauso schnell unterwegs wie die Autos, allerdings sicherer als mit dem Anhänger. Man fällt einfach auf. Die Autofahrer halten auch größeren Abstand.“ Wer hält länger durch – Akku oder Radfahrer? In der Ebene brauche man den E-Antrieb vor allem zum Antritt, sagt Ehret. „Bei Tempo 26 bis 28 ist ein günstiger Bereich, der verhältnismäßig wenig Strom zieht. Da reicht die Batterie durchaus 75 Kilometer weit. – Na gut: Wenn ich im Bergischen faul war, dann auch nur 20 Kilometer.“

 

Wer sich bei Online-Händlern umschaut, kann ein normales Bakfiets schon ab 700 Euro ordern. Mit Elektrounterstützung nähert man sich der 2.000-Euro-Marke – und das sind noch die Billigheimer. Ob sie einen 100-Kilometer-Kurierdienst-Tag lange überstehen, darf herzlich bezweifelt werden. „Profis brauchen vernünftig gemachte Räder“ ist das Credo von Daniel Backwinkel, Umrüster beim Bochumer Batterie-Spezialisten Jewo. Anfragen erhält man dort von Handwerkern, Dienstleistern und Pizzaboten „und denen, die es leid sind, sich ständig Parkraum suchen zu müssen.“ Der Last-Drahtesel lässt sich bekanntlich simpel auf dem Gehweg abstellen. Das Basismodell wird bei Jewo mit besonders leistungsfähigen hauseigenen Komponenten aufgebrezelt und ist beginnt deshalb bei 5.000 Euro.

 

Aber es lohnt sich. „Die Verlagerung von PKW-Fahrten war vom ersten Tag an zu spüren“, sagt Thomas Wiemers, Disponent bei Düsseldorfs „Rot-Runnern“, die übrigens auch Pkw im Kurier-Einsatz haben. Die meisten Kunden lägen in einem Bereich, den er mit „Stadtzentrum plus fünf Kilometer“ beschreibt. Mit den für den Pilotversuch geleasten „E-Bullits“ werde die Kurierfracht zum selben Preis befördert – aber oft einfach schneller. Und es gibt Kunden, beispielsweise den Anbieter von wöchentlichen Öko-Gemüse-Lieferungen, die explizit auf einer Auslieferung mit dem Rad bestehen. Auch von denen möchte das DLR in den zwei Jahren Projektzeit empirische Auskünfte zu Akzeptanz, Routenverläufen oder Auftragshäufigkeit einholen.

 

Maren Meyer könnte den Forschern eine putzige Antwort geben. Die Inhaberin der Bochumer „Butterbrotbar“ verdankt ihrem elektrischen Lastenrad nämlich den frisch verliehenen lokalen Klimaschutz-Preis. Mit dem von Jewo gesponserten Transporter liefert Meyer zweimal pro Woche hochwertige Öko-Speisen zu ihrer Büro-Kundschaft. Per Rad-Anhänger hätte es zu sehr geholpert, ein Lenkerkorb sei zu klein gewesen – also fiel die Wahl auf den zweirädrigen Elektro-Flitzer. „Der passt ja zu unserer Geschäftsphilosophie. Und ich komme auch dort durch, wo der Weg für Autos gesperrt ist.“ Gut 15 Essensportionen hievt sie in die Transportkiste für eine Tour. Ihre Gäste raunen bereits, Madame fahre nach einer kleinen Eingewöhnungszeit inzwischen einen „recht heißen Reifen“. Erstens mache das Spaß, verteidigt sie. Und zweitens? „Na, das Essen soll doch auch wohl warm ankommen, oder?“

TOM JOST

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