Die Goldenen Zitronen geben mit ihrem neuen Album „More than a feeling“ wieder einmal einen rumpelnden Bericht zur Lage der Nation ab. „More than a feeling“ ist ursprünglich ein Hit der zu Recht weitgehend vergessenen Rockband Boston aus den 70er Jahren. Bei den Zitronen greift der Titel die Rede von den „besorgten Bürgern“ auf, deren Gefühl der Sorge eben mehr ist als ein Gefühl, nämlich eine hochgradig gefährliche Aggression, die mit Lüge und Tatsachenverdrehung neue Fakten schaffen will. Trotz übler Lage ist das Album der Diskurs-Rocker nicht übellaunig, sondern gewohnt freudig formuliert – sowohl in den Texten als auch im musikalischen Entwurf, der Punk, Pop und Experiment fließend ineinander schmirgelt, falsche Freunde wie zu Zeiten ihrer Fun-Punk Anfänge machen sie sich damit schon lange nicht mehr (Buback).
Das mag jetzt überraschen, aber die Parallelen zwischen den ‚Zitronen‘ und den ‚Beasties‘ sind groß. Wie Die Goldenen Zitronen haben die Beastie Boys mit ihrem ersten Album Mitte der 80er Jahre überraschend großen Erfolg und beide glänzen durch chaotische Konzerte (klar, der Erfolg der Beastie Boys war ungleich größer!). Beide kommen vom Punk und sahen sich plötzlich mit einer Heerschar tumber Fans konfrontiert, die sie eigentlich nicht wollten. Beide zogen die Notbremse. Die Zitronen mit krachigem Sound, politischen Texten und Albumtiteln wie „Fuck You“, die Beastie Boys mit einer Auszeit, Trennung vom Label und einem Neustart in einer anderen Stadt. Es folgten schwere Jahre, das zweite Beastie Boys Album „Paul‘s Boutique“ erfuhr erst spät Anerkennung. Mit „Check your Head“ haben sie dann wie die Zitronen mit „Das bißchen Totschlag“ ihren eigenen, unverwechselbaren Stil und auch ihren moralischen Kompass zwischen Antirassismus, Feminismus und Underground-Ethos gefunden. Das opulente „Beastie Boys Buch“ erzählt auf über 500 Seiten diese Geschichte und liest sich wie ein Album der Band: Lustig, ungestüm, voller Widersprüche, Einwürfe und Korrekturen von Wegbegleitern, die wie Gastrapper fungieren, erzählt das Buch auch, wie in den 80er Jahren in New York New Wave, Punk, Hip Hop und die Kunstszene fruchtbar kollidierten. Auch wenn Adam Yauch schmerzhaft fehlt: Ein großes Lesevergnügen mit vielen Bildern (Heyne Hardcore).
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