Der Karneval ist vorbei, jetzt geht der Rheinländer zum Lachen wieder in den Keller. Oder ins Kino. Nur, worüber dürfen wir künftig überhaupt noch lachen? Indianer-Kostüme sind ja neuerdings tabu, zumindest in einer Kita der Karnevalshochburg Hamburg. Untermauert wurde derlei Initiative durch die Plakat-Kampagne „Ich bin kein Kostüm!“. Die Wohlstands-Hysterie, die derlei medial gepuschte Fälle gerne mal auslösen, könnte dazu führen, dass Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ schon bald auf dem Index steht. Und Abahachi gleich doppelt, der ist nämlich nicht bloß Indianer, sondern auch noch schwul. Meine Güte: Ich bin nur ein Kostüm! Wenn Humor und Maskerade künftig nur noch politisch korrekt sind, wenn Migration, Inklusion und pc verlangen, dass man über andere Kulturen, Religionen und Geisteshaltungen nicht mehr Witze machen darf – dann ist der Humor hierzulande, von der Bütt bis ins Lichtspielhaus, endgültig tot und das, worüber andere Länder längst schmunzeln, stumpf bestätigt: dass der Deutsche keinen Humor hat.
Gehen wir doch beim nächsten Rosenmontagszug alle als Timm Thaler, das wäre unverfänglich: Indem man gar nicht mehr lacht, könnte man nicht aus Versehen über das Falsche lachen. Aber Spaß beiseite – obwohl nein, im Gegenteil: Statt auch noch den Straßenkarneval zu zensieren, könnte zuallererst der biederfeige Kölner Rosenmontagszug vorangehen und zur Abwechslung mal so austeilen, dass es weh tut, sehr gern auch gegen Minderheiten (katholische Kirche etc.). „Quatsch Comedy Club“-Gründer Thomas Herrmanns hatte mal sinngemäß gesagt: Man darf über alles Witze machen, nur: Je verfänglicher das Thema, desto anspruchsvoller muss der Witz sein. Das können sich Stelter und Kramp-Karrenbauer gern mal zu Herzen nehmen, selbst in der Bütt. Kein Thema ist tabu, weder Doppelname, drittes Geschlecht noch Apache – nur der schlechte Witz darüber kann es sein. Und das Kino? Ich hatte zuletzt Tränen gelacht bei „Der Junge muss an die frische Luft“. Und Tränen geweint. Die Tragikomödie – wäre das vielleicht die politisch korrekte Lösung für all die Echauffierer: lustiges Indianerkostüm ja, aber bitte nur mit Empathie-Gewimmer im Abgang? Und auf unseren Stand-Up-Bühnen stehen dann keine Comedians mehr, sondern Tragicomedians. Alaaf.
Nur, was hieße das für das Kino: „Ich bin kein Kostüm“? Tja, das Kino ist ein einziges Kostüm! Gerade die Leinwand zeigt allwöchentlich aufs Neue, dass ein Kostüm mehr tun kann, als das Schicksal von Ethnien zu trivialisieren. Ein Filmkostüm mag die Realität nicht 1:1 abbilden, es kann aber die Realität pointiert spiegeln. Und es kann die Realität karikieren: Eine Gesellschaft („La Grande Bellezza“), die Religion („Das Leben des Brian“) oder ein Filmgenre („Der Schuh des Manitu“). So fordern wir, frei nach Pina Bausch: Lacht, sonst sind wir verloren! Und zwar zuallererst über euch selbst. Wir empfehlen mindestens eine Komödie pro Monat. Und zwar auf der großen Leinwand. Ist auch viel schöner als allein im Keller. Denn Lachen steckt an, vor allem im Kino.
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