Rostige Nägel stecken in zwei Baumstümpfen, die dadurch verbunden werden. Farbige Baumwoll- und Pflanzenfasern sind darin verwoben. Die Opfermaterialien sind ein magisches Objekt vom Kongolesen Nkondi Konzo aus dem 19. Jahrhundert. Das Einschlagen von Nägeln oder das Nageln sind beileibe keine Erfindung des deutschen ZERO-Künstlers Günther Uecker in den 1950ern. Diese aggressive Praxis war bei allen Magiern durch die Jahrhunderte bekannt und bewährt. Jeder Nagel zielte auf Krankheiten, böse Geister oder Menschen. Unter dem Titel „Narren. Künstler. Heilige“ zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn gleich 250 Exponate, darunter auch zeremonielle Masken, altertümliche Gewänder und magische Werkzeuge. Die in der hochinteressanten Ausstellung dargestellte Zeitspanne reicht von altägyptischen Zeugnissen von vor 3.000 Jahren bis zur Gegenwartskunst. Die Ausstellung ist in Themenblöcke wie „Chaos“, „Exzesse“, „Mystisches“ oder „Übermenschliches“ strukturiert, der Besucher sollte also etwas mehr Zeit mitbringen. In mehreren Filmen wird gezeigt, wie Zauberer in fernen Ländern Rituale vollziehen. Aber auch zeitgenössische Videos finden sich darunter, wie Anna Halprins Krebs-Performance „Dancing my cancer“ von 1975 oder das farbige Ameisen-Opus „Aschermittwoch“ der Brasilianerin Rivane Neuenschwander von 2006.
Mitten in der willkürlichen Ordnung dieser Welt verlangt der Mensch schon immer nach Haltepunkten, die ihm in der möglichen Unordnung Schutz und Halt geben können. Waren es früher die Schamanen, die mit Hilfe von Zaubertränken und Ritualen die Kontakte zu übersinnlichen Wesen und Orten herstellten und so die Angst der Machtlosen besänftigten, so sind es heute eher die Künstler, die Rituale bewahren, deren Notwendigkeit im aufgeklärten Zeitalter mehr als bestritten werden.
Und so korrespondiert die kleine staubige Schale mit Totenschädel (cakatu, Fetisch 20. Jahrhundert) aus Benin immer noch bestens mit beispielsweise dem mit Diamanten besetzten menschlichen Schädel (For the Love of God, 2007) von Damien Hirst. Dessen Arbeit ist zwar nicht in der Bundeskunsthalle zu sehen, aber dennoch für den Interessierten als „Lob der Torheit“ (Untertitel der Ausstellung) anzusehen angesichts seiner pseudorituellen Herstellung und des absurden Preises (75 Millionen Euro), den die Arbeit damals erzielt hat.
Geld bekamen die Hersteller der kultischen Objekte, die in Bonn zu sehen sind, wohl nicht, sie produzierten eben nur alltägliche Gerätschaften, die rituelle Handlungen möglich machten oder sie unterstützten. Innerhalb dieser vorsätzlichen Unordnung waren Dinge erlaubt, die ansonsten strikt untersagt waren. Dieser Ritus hat sich bis heute – wenn auch in merkwürdigen Zusammenhängen – erhalten, denkt man an die bierseligen Karnevalsumzüge im Rheinland oder an das pseudoesoterische Walpurgisnacht-Spektakel am Brocken. Wie anders wirkten da doch die Außenseiterfiguren, die damals eher verachtet als verehrt und dennoch gefürchtet wurden. Ihre Kostüme (Kuker aus Bulgarien oder die Schweizer Tschäggätä) haben immer noch eine Ehrfurcht gebietende Aura.
„Narren. Künstler. Heilige“ I bis 2.12. I Bundeskunsthalle Bonn I 0228 9 17 12 00
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