Seit 1969 gibt es die kleine Buchhandlung in Köln. Im Rahmen der 68er-Bewegung durch linke Hochschulgruppen als „Das politische Buch“ entstanden, trägt sie seit 1972 ihren heutigen Namen. Woher kommt der? „Die Kurzform“, beginnt Geschäftsführer Axel Stemmer: „Das andere war stark bezogen auf die 68er-Zeit und politische Lektüre.“ Es sollte Bücher geben, die es in anderen Buchhandlungen nicht gab – Marx, Psychoanalyse oder Dritte-Welt-Literatur zum Beispiel. Auch Skurriles sei dabei gewesen, der Schwerpunkt jedoch immer gleich: Literatur und Gesellschaftskritik. Heute kommt ein weiterer dazu. „Es ist schon eine Stadtteilbuchhandlung“, sagt Stemmer. Eigentlich seien es sogar zwei, denn den anderen Buchladen gibt es in Sülz (Weyertal 32) und in der Südstadt (Ubierring 42).
Früher hätten vor allem Sachbücher im Fokus des Geschäfts gestanden, das sein Geschäftsführer gar nicht so sehr als Geschäft sieht. „Es war ein Projekt“, sagt er. „Im Grunde genommen ist im Buchladen immer noch viel Projektidee und weniger Laden.“ Noch heute nehmen Werke, die sich mit Sachthemen beschäftigen, die hintere Hälfte der Räume in Universitätsnähe ein. „Ich glaube, bis auf wenige Ausnahmen sind wir in Köln die Buchhandlung mit der größten Auswahl an Sachbuchtiteln und gesellschaftskritischen Sachbuchtiteln“, sagt Stemmer. Im vorderen Teil des Ladens begrüßen Romane, Krimis und Kinderbücher ihre potentiellen Leser. Auf den Tischen, auf denen Ausgewählte ausliegen, stehen „Unser Tipp“-Schilder aus Pappe – mit schwarzem Filzstift beschrieben und mit rotem Ausrufezeichen versehen: „Weil die Belletristik der Teil ist, von dem wir am meisten leben, ist sie auch der Teil, wo wir uns am breitesten auskennen.“ Zum Sortiment gehören auch die Bücher der Büchergilde, der ältesten Buchgemeinschaft im deutschsprachigen Raum. „Der andere Buchladen“ ist neben dem „Buchsalon Ehrenfeld“ in der Domstadt der einzige Partner der Genossenschaft, die ihren Mitgliedern Werke in einzigartiger Form und vergünstigt anbietet.
Viele Faktoren machen den anderen Buchladen anders. Im Oktober des letzten Jahres wurde er in Heidelberg mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Das Preisgeld nutzt Stemmer für das eigene Lesungsprogramm, das er und seine Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit der Literarischen Gesellschaft Köln anbieten. Sechs Veranstaltungen finden jährlich statt, bis zu 50 Besucher finden dann ihren Weg ins Weyertal. Zuletzt ging es unter anderem um die Problematik des Übersetzens und um akustische Literatur. Als nächstes steht das Thema Literatur in der Arbeitswelt auf dem Programm: Lektor und Übersetzer äußern sich zum erfolgreichen niederländischen Romanzyklus „Das Büro“ von J.J. Voskuil, Sprecher Wolfgang Schiffer liest vor. Auch regelmäßige Büchertische im Rahmen politischer Veranstaltungen oder bei Lesungen, die nicht in den eigenen Räumlichkeiten stattfinden, gehören zum Repertoire. „Es ist meistens nicht unbedingt ein großer ökonomischer Nutzen“, schmunzelt Stemmer. „Es ist eine Präsentation von dem, was wir haben.“
Viel Geld würden kleine Buchhandlungen wohl aber sowieso nur im Einzelfall verdienen. Welche Rolle spielen Amazon und Co.? „Dadurch verändern sich Profile“, sagt der Geschäftsführer ohne Wehmut. Mittlerweile kämen auch Menschen, die sich im Internet informieren, dann aber Ortsansässiges vorziehen. Viele wüssten aber nicht, dass der Laden vor der Tür mit der Schnelligkeit des Online-Handels absolut mithalten kann: Wird ein Buch bis 17 Uhr bestellt, ist es im Regelfall am nächsten Tag ab 10 Uhr abholbar; etwa 1,3 Millionen Titel sind auf den etwas mehr als 100 Quadratmetern so verfügbar. „Ohne uns fehlt @was“, steht auf einem bedruckten Blatt Papier im A4-Format, das über Stemmers Schreibtisch hängt.
„Es ist schon eine Stadtteilbuchhandlung“, hat er gleich zu Beginn gesagt. Am Ende geht Stemmer aus seinem Büro voran in seinen anderen Buchladen. Ein Kunde hat dort gerade ein Buch gekauft, verstaut es in seiner Tasche. „Schon wieder du“, begrüßt der Buchhändler ihn. „Und, was gab’s heute?“
Aktuelle Buchempfehlungen von Axel Stemmer:
Daniel Schreiber: Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen | Hanser Berlin | 144 S. | 18 € –– Stemmer: „Eine ungemein persönliche Annäherung an das Thema: Was ist für wen ein Zuhause?“
Hisham Matar: Die Rückkehr: Auf der Suche nach meinem verlorenen Vater | Luchterhand | 288 S. | 20 € –– Stemmer: „Die größte Entdeckung – eine Biographie und gleichzeitig eine Geschichte Libyens und der Diktatur Gaddafis“
Iman Humaidan: Fünfzig Gramm Paradies: Roman aus dem Libanon | Lenos | 267 S. | 22 € –– Stemmer: „Eine schöne Art und Weise zu beschreiben, aus wie vielen verschiedenen Ländern Leute nach Beirut geflohen sind und wie sie dort gelebt haben“
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