Drei herausragende US-Jazzcombos sind im Sommer in Europa unterwegs – das will sich der Stadtgarten trotz Sommerferien nicht entgehen lassen, während im Biergarten bis dahin Public Viewing angesagt ist. Das seit 2000 bestehende Trio The Bad Plus brachte jüngst einen Personalwechsel erfolgreich über die Bühne. Auf dem im Januar erschienen Album „Never Stop II“ wurde das Klavier mit viel nötiger Courage von Orrin Evans (43) neu besetzt, einem empfindsamen schwarzen Musiker mit viel Ensemble- und Lead-Erfahrung. Er hatte sich parallel zu dem Trio fest in der Jazz-Szene etabliert, hat in Rekordzeit einen guten Teil der 100 bestehenden Songs einstudiert und ist bei den hohen Aktivität, die sich seit seiner Zusage im vergangenen September ergeben hat, dazu übergangen, seine eigene Webseite nur noch per Tweets aktuell zu halten. Das Ergebnis aber hat seit dem ersten gemeinsamen Auftritt Publikum und Kritiker überzeugen können. Reid Anderson (47, Bass) und Dave King (47, Drums) sind die beiden anderen (Gründungs-)Mitglieder, beide aus Minneapolis, die auf dem neuen Album individuelle Titel aus eigener Feder präsentieren. Als The Bad Plus 2010 erstmals ein Album mit ausschließlich eigenem Material veröffentlichten, war die Persönlichkeitsspaltung komplett, beruht ihre Bekanntheit doch zum Teil auf Coverversionen von „Everybody Wants to Rule the World“ bis „Smells Like Teen Spirit“. Bis heute wissen sie Popmusik genauso umzuformulieren wie Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“. Avantgarde-Jazz mit Musikern, die immer im Moment leben und sich auch gegenseitig gern überraschen.
Etwas melancholischer wird es mit Carla Bley (82), der introvertierten und unermüdlichen Legende und Grande Dame des Jazz. Sie lernte Klavierspiel als Tochter eines Kirchenorganisten, entdeckte mit 13 den Jazz, wurde 1967 bekannt, als Gary Burton einen ihrer Songzyklen aufnahm, und schrieb sich mit der avantgardistischen Oper „Escalator Over the Hill“ 1971 in die Jazz-Geschichte ein. Sie ist häufig in Europa, spielt im Juli unter anderem in Montreux, veröffentlicht seit 2013 bei ECM und lässt sich von anderen Kulturen zu Kompositionen inspirieren. Nach vielen „Duetten“ mit ihrem Lebensgefährten Steve Swallow (77), einem der ersten und berühmtesten E-Bassisten im Jazz, spielt sie heute „Trios“ mit Swallow und dem britischen Saxophonisten Andy Sheppard (61).
** AKTUELL 28.6.: Die nächsten Konzerte von Carla Bley wurden krankheitsbedingt abgesagt. Andy Sheppard kommt allerdings trotzdem und spielt mit dem norwegischen Espen Eriksen Trio, mit dem er nach gemeinsamen Touren im Mai die CD „Perfectly Unhappy“ veröffentlicht hat. Für die Kompositionen des Pianisten Espen Eriksen gilt das Motto: „Weniger ist mehr“, und sie entfalten eine ähnliche Melancholie wie die das aktuelle Werk von Carla Bley, von der bei dem exklusiven Auftritt ebenfalls Stücke gespielt werden. **
Außerdem soll es nach Brooklyn gehen. 2008 formierte sich für ein Benefizkonzert das Post-Bop-Quartett Endangered Blood, mit Drummer Jim Black (AlasNoAxis, Human Feel), den beiden Saxophonisten Chris Speed und Oscar Noriega sowie Kontrabassist Trevor Dunn. Mit größtenteils Eigenkompositionen, viel Freiheit zur Improvisation und einer unglaublichen Präsenz knüpfen die vier an die aufregendsten Momente des Jazz an. Inzwischen haben sie zwei Alben veröffentlicht und ein drittes aufgenommen. – Die zusammen mit dem WDR präsentierten Abende im Konzertsaal, von denen gerade die ersten beiden nicht nur für Jazz-Kenner interessant sein dürften, decken ein breites Spektrum gegenwärtiger amerikanischer Jazzmusik ab. Besuch per Ticket oder Festivalpass.
Summer Jazz Festival 2018: 16.7. The Bad Plus | 17.7. Espen Eriksen Trio feat. Andy Sheppard | 20.7. Endangered Blood | je 20 Uhr | Stadtgarten | 0221 28 01
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