„… und deshalb habt ihr alle einen Arsch offen, und wenn ihr in den nächsten zwei Wochen nicht spurt, dann steht er so weit offen, dass wir euch eine Ananas reinschieben werden.“ Burt verließ das Rednerpult. Im Saal herrschte Stille. Seine Schritte knallten laut auf dem Parkett. Der rote Teppich konnte seine schweren Stiefel nur unzureichend dämpfen, er war für andere Schuhe gemacht. Bis zum Schluss war Burt nicht sicher gewesen, wie er seine Antrittsrede vor den Vereinten Nationen abschließen sollte. Hätte er das Bild mit der Ananas noch mehr ausschmücken sollen? Irgendwas mit „ohne Vaseline“? Hätte er die Scharfkantigkeit der Südfrucht betonen sollen? Nein, das war schon richtig so. Burt hatte seine Position und die der Nation, die er vertritt, schon klar gemacht vor diesem, wie er es ausgedrückt hat, Haufen von Pennern, die essen, was er wegwirft.
Diplomatisch Zähne einsammeln
Mit ähnlichen Worten hatte Burt auch den Posten als ständiger UN-Vertreter für die frisch für unabhängig erklärte Motorisierte Nation von Hell’s Angeles erlangt. Bei der Generalversammlung auf der Industriebrache, pardon, dem Regierungsviertel Altes Stahlwerk war er von seinem Motorrad aufgesprungen, hatte ein Mikrofon ergriffen und losgelegt: „Ich steige jetzt auf diese Scheißbühne hier, und dann erzähle ich euch mal was, ihr Wichser.“ Und dann hat er den Wichsern mal was erzählt. Von Zusammenhalt und Kameradschaft, von Einfluss und von dem Respekt, den die anderen Staaten der Nation von Hell’s Angeles gefälligst zu erweisen hätten. Und davon, wie ein gewisser Tom Reynolds mal alle seine Zähne vom Boden aufsammeln durfte, nachdem dieser für die Wahl zum Chapter-Vorstand nicht für ihn gestimmt hatte. Also stimmte die Generalversammlung einstimmig für Burt Selleck als ihren Mann in New York.
Diplom-Diplomat
Ein sechsstündiger Crashkurs an der Andrij-Melnyk-Fernschule für Diplomatie bereitete Burt auf seine Aufgabe vor. Beigebracht hat sie ihm nichts Neues. Melnyk, der „undiplomatische Diplomat“ (Südkurier), der „mehr Politiker als Diplomat“ ist (Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP), sagte in seinem Online-Kurs, dass es die Aufgabe eines Botschafters sei, die Interessen seines Landes zu vertreten – und dabei nicht korrupter zu sein, als im eigenen Land üblich. Dabei müsse man nicht diplomatisch, also vermittelnd, zurückhaltend vorgehen. Etymologische Haarspaltereien haben noch keinem weitergeholfen. Wenn ein Diplomat speichellecken, arschkriechen, schleimen und geschwollenen Dreck labern, kurz: sich diplomatisch geben solle, dann müsste man das von einem Diplom-Ingenieur auch erwarten. Burt freute sich schon auf seine nächste Rede. Am Nachmittag würde er vor einer Delegation der Union von Bandidosien sprechen. Und dort würde er sich nicht so zurücknehmen.
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